Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 30 (1907))

Jnhaberschuldverschreibungen und Kreationstheorie.

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die Person des ersten Gläubigers und die Erlangung einer Gegenleistung
keinen Wert legt, wird daher die Papiere der beliebigen Aneignung
zugänglich machen; mit dem Verpflichtungswillen als solchem hat das
Verschließen nichts zu tun.")
Aber die Tatsache selbst, daß der Verpflichtungswille dem Aussteller
zur Zeit der Ausstellung gegebenenfalls fehlen kann, läßt sich nicht
bestreiten. Wer gegen Fiktionen eine unüberwindliche Abneigung hegt,
für den bleibt noch der Ausweg, daß er hier einen der dem Gesetze
auch sonst nicht unbekannten Fälle annimtnt, wo eine Erklärung als
Rechtsgeschäft gilt, trotzdem sie tatsächlich vom Willen des Erklärenden
nicht getragen wird?") Wie dort Fehlen oder Mängel des Verpflichtungs-
willens der Annahme eines Rechtsgeschäfts nicht entgegenstehen, so
wird vorliegend gleichfalls durch die generelle Erhebung der Ausstellung
zum Rechtsgeschäft in Verbindung mit § 794 von dem sonst vor-
handenen Erfordernisse eines der Erklärung entsprechenden Verpflichtungs-
willens Abstand genommen. Ob ein solches Verfahren für das Gesetz
zweckmäßig war und nicht etwa nur irrige Vorstellungen zu ihm Anlaß
gegeben haben, ist dem bestehenden Gesetze gegenüber gleichgültig. Denn

Käufer da: er ist schon einem bestimmten Gläubiger zur Zahlung verpflichtet,
während der Aussteller der Jnhaberschuldverschreibung zunächst nur eine Ver-
pflichtungserklärung abgegeben hat, die ihren Gläubiger noch finden soll- Der
Käufer wird ferner direkt aus dem ihn verpflichtenden Vertrage für feine Gegen-
ansprüche gesichert, indem er die Leistung des Verkäufers Zug um Zug erzwingen
kann, während der Aussteller nicht durch die Ausstellung als solche, sondern
erst durch die Begebung seinen Gegenanspruch gewinnt.
45) Die Auffassung des Rechtsgeschäftsbegriffes, welche Jacobi bei dieser
Gelegenheit den Kreationstheoretikern unterschiebt (S. 40), muß ich für meine
Person ablehnen. Ich würde allerdings auch nicht als zur Annahme eines
Rechtsgeschäfts genügend ansehen, wenn der Zweck des Handelnden in dem
Willen bestände, verhaftet zu werden. Denn sonst wäre, um bei Jacobis
Beispielen zu bleiben, jeder Diebstahl und jede Sachbeschädigung ein Rechts-
geschäft, falls in concreto „der Zweck der Tat in dem Willen des Täters lag,
verhaftet zu werden". Selbstverständlich beruht jedoch trotz Erreichung des ge-
wollten Zweckes die Haftung hier auf einem Delikte, d. h. einer vom Gesetze
verbotenen Handlung, welche Rechtsfolgen auch danu zeitigt, wenn diese dem
Willen des Täters nicht entsprechen sollten.
46) Auch Jacobi muß wiederholt (z. B. Wertpapiere S. 182, Legitimations-
mittel S. 41) mit „Schuldverbindlichkeiten, die aus Rechtsgeschäften ohne Ver-
pflichtungswillen entstehen" operieren.

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