Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 29 (1906))

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Bunsen.

Besitz und Eigentum geht mit der Besitzergreifung der getrennten
Früchte auf den Käufer über. Der Eigentumserwerb ist ein derivativer,
er vollzieht sich, obgleich eine körperliche Übergabe nicht erfolgt,
dennoch nach den für den Eigentumserwerb durch Übergabe (Tradition)
geltenden Regeln. Danach ist erforderlich, daß der Veräußerer die
tatsächliche Gewalt über die Sache zu Gunsten des Erwerbers aufgibt
und dieser den Besitz demgemäß mit Willen des Veräußerers erlangt
(Planck, Komment. § 929 Anm. 2). Man könnte scheinbar entgegen-
halten, daß der Veräußerer für den Fall, daß der Erwerber die Früchte
selbst trennt und alsbald in Besitz nimmt, niemals die tatsächliche
Gewalt über die Früchte gehabt hat, sie deshalb auch nicht aufgeben
kann. Das ist jedoch nicht richtig. Die Früchte hat der veräußernde
Fruchtberechtigte freilich nicht in seinem besonderen Besitz, er besitzt sie
vielmehr bis zur Trennung nur in und mit dem Grundstücke als
Bestandteile desselben. Erfolgt die Trennung zufällig (die Frucht
fällt vom Baum, der schlagfertige Baum fällt), so besindet sich die
Frucht bis zur Besitzergreifung durch einen anderen in der tatsächlichen
Gewalt des Verkäufers als Grundstücksbesitzer, diesem fällt das Eigen-
tum durch die Trennung an nach Maßgabe der §§ 953—955. Ergreift
nun der Käufer infolge der ihm eingeräumten Gestattung den Besitz,
so wird er durch den Besitz Eigentümer, das Eigentum des Veräußerers
geht mit dessen Willen auf ihn über. Ebenso ist es, wenn der Er-
werber die Früchte selbst trennt, und es ist nicht richtig, wenn be-
hauptet wird,^) daß es in diesem Falle keinen Moment gibt, in dem
das Eigentum der Früchte bei dem Gestattenden gewesen wäre, viel-
mehr fällt hier Trennung und Besitzergreifung nur scheinbar zusammen,
in Wahrheit folgt die letztere der ersteren, wenn auch auf dem Fuße;
denn eine selbständige tatsächliche Gewalt über die Früchte und ein
selbständiges Eigentum kann immer erst nach der Trennung beginnen.
Wie die Verpflichtung des Käufers zur Übergabe in diesem Falle
also im wesentlichen nur in der Verpflichtung zur Duldung der Trennung
und Besitzergreifung besteht, so verhält es sich ähnlich mit der zweiten
Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum an der ver-
kauften Sache zu verschaffen?) Durch die Besitzergreifung kann der
s) Hellmann, Das Recht 1901 S. 421.
4) Der Fall des 8 957 BGB. scheidet hier zunächst noch aus. Es wird
später davon die Rede sein.

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