Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 36 (1911))

Beiträge zur Dogmatik des Tarifvertragsrechts. 211
eliminiert — bei der Konstruktion gänzlich ausscheiden. Als Vertrags-
subjekt kommt nur der Verband in Betracht, wobei man, der Möglich-
keit der Kontrahierung einer Arbeitnehmerkorporation mit einem einzelnen
bezw. mit einzelnen Arbeitgebern Rechnung tragend, die Einzelrechte
und -pflichten des Arbeitgebers natürlicherweise abweichend konstruieren
mußte. Und wo statt einzelner Arbeitgeber deren Verbände an der
Vertragschließung beteiligt sind, werden auch hier die Einzelbeziehungen
ausgeschieden und denselben besonders geartete Kollektivpflichten und
-berechtigungen substituiert.
Im Wesen des Tarifvertrages liegt es und es ergibt sich auch
aus seinem Hauptzwecke, daß durch die aufgestellte Regelung einzelne
Mitkontrahenten gebunden sein sollen. Wenn es in dem Tarif-
vertrag heißt, daß der Arbeitslohn 50 Pf. pro Stunde betragen soll,
daß die Arbeitszeit 9% Stunden dauert, daß die Lohnzahlung wöchent-
lich erfolgt und Kündigung nur bei gewissen näher bestimmten Voraus-
setzungen zulässig sein soll, so bedeutet diese Feststellung, daß jeder
einzelne Kontrahent, sei es Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, von der
normgemäßen Regelung nicht abweichen darf. Die persönliche Berech-
tigung und Verpflichtung der einzelnen liegt der Gesamtregelung zu-
grunde: denn die festgesetzte Norm (wir haben hier bloß den wesent-
lichen Vertragsinhalt im Auge) kann sich nur auf einzelne beziehen.
Der Verband als solcher erhält doch keinen Lohn, hat keinen originären
Anspruch auf Einhaltung der Arbeitszeit, der Lohnzahlungs- und
Kündigungsbedingungen. Er kann im Namen der Kontrahenten den
Vertrag abschließen, dank seiner Macht und Autonomie die Wider-
spenstigen zur Gutheißung der ihnen unliebsamen Regelung zwingen,
die Individualrechte schützen und die Erfüllung und Durchführung des
Vertrages garantieren; jedoch steht ihm nicht zu, die Rechte und Pflichten,
die begrifflich nur von einzelnen übernommen werden können, als
seine Rechte und Pflichten erscheinen zu lassen. Es wäre freilich
möglich, daß eine bei Verbandsbeteiligung aufgestellte Tarifregelung das
Mourent der Singularberechtigungen und -Verpflichtungen ausschließt,
so daß nicht die Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Träger der Rechte,
als Vertragssubjekte hervortreten, sondern der Verband bezw. die Ver-
bände als einzige Interessenten zu betrachten sind. Aber auch bei
dieser wohl möglichen und von manchen Theorettkern sogar warm
empfohlenen Kombination würde der Verband die wesentlichen Tarif-

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