Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 38 (1913))

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Hedemann.

die Frage für diskutabel, ob in Anlehnung an das Recht der
Gesellschaften und damit der nicht rechtsfähigen Vereine (737,
72312, 54 BGB.) ein Ausschluß „wegen wichtigen Grundes"
zu bewilligen sei. Beantwortet hat es die Frage nicht, weil
in dem betreffenden Prozeß kein wichtiger Grund behauptet
worden war.
M. E. hängt alles von dem konkreten Falle ab. Es han-
delt sich doch um Auslegung und Lückenfüllung. So wie nun
bei der Auslegung der Zivilprozeßordnung deren Besonderhei-
ten, bei der Auslegung des BGB. dessen Eigentümlichkeiten mit-
veranschlagt werden müssen, also die Auslegung bei dem einen
Gesetze zu anderen Ergebnissen führen kann, als bei dem zwei-
ten, so ist es auch bei der Ausfüllung von Lücken in den verschie-
denen Statuten der verschiedenen Vereine. Danach ist es nicht
richtig mit dem Reichsgericht ein unbeschränktes Ausschließungs-
recht schlechthin für alle Fälle zu leugnen. Warum soll, wenn im
konkreten Fall der Verein eine besonders straffe Organisation auf-
weist, und die Satzungen erkennen lassen, daß mit allerstrengster
Disziplin gerechnet wird, der Richter in seiner lückenfüllenden Tä-
tigkeit nicht auch zur Anerkennung eines Ausschließungsrechtes
ohne wichtigen Grund gelangen? Allerdings aber ist zuzuge-
ben, daß das eine Ausnahme bleiben wird. Denn meist werden
derartige besondere Anhaltspunkte fehlen, und dann wird
sich der Richter wie überall so auch hier am besten an das U e b -
liche halten. Ueblich aber dürfte im heutigen Vereinsleben
sein, daß ein Mitglied nicht beliebig, sondern nur wegen beacht-
licher Gründe ausgestoßen werden darf^).
b) So auch Enneceerus, Lehrbuch 11 § 105 Ziff. V (4. und 5. Auflage
S. 249 bei Anm. 11). — Die Begründung des reichsgerichtlichen Urteils
vom 23. März 1910 ist m. E. angreifbar. Sie rechnet nicht mit der außerordent-
lichen Lückenhaftigkeit der meisten Vereinsstatuten. Denn sie kennt nur die Alter-
native: Entweder steht die Ausschließungsbefugnis ausdrücklich in den Statuten,
dann kann das Mitglied beliebig ausgestoßen werden; oder die Statuten sagen
nichts darüber, dann bedeutet die Ausweisung einen Bruch der Verfassung!
Diese ausschließliche Alternative ist m. E. unrichtig. Wenn fest steht, daß der
Verein kein Ausstoßungsrecht haben soll und daß deshalb die Satzung schweigt
(oder wenn gar die Satzung ausdrücklich die Ausstoßung verbietet), dann mag die
dennoch vollzogene Ausstoßung einen Verfafsungsbruch bedeuten. Wenn aber die
Regelung der Ausstoßungsfrage bei der Abfassung der Statuten nur vergessen worden
ist, so liegt eben eine Lücke vor, und erst, nachdem diese Lücke ausge-

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