Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 13 (1897))

Der Gläubigerverzug.

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hinüber erstrecken, so kann er seinen Annahnreverzug nicht mit der
Motivirung ablehnen, daß der Schuldner in Folge dieser Umstände
nicht in der Erfüllungsmöglichkeit war; ebensowenig als sich Jemand,
wenn bei ihm eine Feuersbrunst entstanden ist und sich auf das Nachbargut
verbreitet hat, seine Haftung damit ablehnen kann, daß nun auch vom
brennenden Nachbarhaus wieder Funken auf das seinige herübergefallen
seien und ihm Schaden bereitet Hütten.
3. Erfüllungssnrrogate.
8 8.
Es bleibt also dabei:
die Annahme ist keine Pflicht des Gläubigers;
Annahmeverzug liegt auch ohne Verschulden des Gläubigers vor;
im Falle des Annahmeverzugs gewährt die Rechtsordnung dein Schuldner
die Möglichkeit der anderweitigen Befreiung — ohne weiteres oder nach
Erfüllung gewisser Bedingungen: sog. Erfüllungssurrogate; und solche
sind insbesondere Aussetzung der Sache und Hinterlegung.
Was die Aussetzung betrifft, so hatten vor mir weder die Romanisten
noch die Germanisten das ungemein reiche Material des deutschen Rechts
dogmatisch zur Geltung gebracht; die paar Stellen des römischen Rechts
waren fast das einzige Feld der rechtlichen Entwickelung, und hier ar-
gumentirten sie, als ob man es mit einer römischen Sonderlichkeit zu
thun habe, die Niemand ernst nehmen dürfe.
Seit meinem Aufsatz, wo ich eine große Fülle deutschrechtlicher
Beispiele ähnlicher Rechtsübung gebracht habe, wird dieser Standpunkt
nicht mehr vertreten werden. Die dort angegebenen Belege ließen
sich beliebig häufen; namentlich habe ich zwei weitere Fälle der Wein-
ausgießung bereits im XXXV. Band von Goldschmidt's Zeitschrift
in der Besprechung von Gierke's Humor gegeben.^")
So findet sich der Satz, daß der Zehntpflichtige, wenn der Zehnt-
herr nicht kommt, die Auszehntung selbst vornimmt und die zehnte Garbe
einfach liegen läßt (nach Notifikation an den Herrn) 40) all überall.
3»b) Die in meiner Abhandlung S. 29t erwähnte Stelle Närada's,
wonach der Schuldner bei Ermangelung eines brahmanischen Gläubigers das
Geld ins Wasser wirft, erklärt sich näher aus Manu IX 244: das Werfen ins
Wasser ist Hingabe an Varuna, der das Geld an Stelle des nicht mehr vor-
handenen Brahmanen in Empfang nimmt.
40) Meine Abhandlung S. 294.

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