Kaufmännische Schiedsgerichte.
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Außerdem lassen die Erfahrungen, die man mit der Einführung
fakultativer Schiedsgerichte an verschiedenen Orten gemacht hat, in ge-
wissem Maße einen Schluß darauf zu, ob wirklich ein Bedürfniß nach
derartigen Einrichtungen anzuerkennen fei.
In einer Stadt von der Bedeutung Hannovers nun,^) wo „als
Probebeispiel für die gesetzliche Regelung der Frage" ein fakultatives
Schiedsgericht für Kaufleute gegründet worden ist, wurden bei diesem
im Jahre 1900 ganze 18 Prozesse anhängig gemacht; es kamen jedoch
nur 6 dieser Streitsachen zur Verhandlung, da in 11 Fällen das
Schiedsgericht von einer der Parteien abgelehnt wurde. Bei dem
Osnabrücker fakultativen kaufmännischen Schiedsgerichte, das seit dem
1. November 1900 besteht, wurde in der Zeit vom 1. November 1900
bis dahin 1901 ein einziger Streitfall angemeldet, und das kauf-
männische Schiedsgericht in Stolp, das mit Beginn des Jahres 1900
ins Leben getreten ist, ist bisher überhaupt noch nicht angerufen worden!
Diese Ergebnisse bestätigen vollkommen die Erfahrungen, die man
mit den Streitigkeiten aus den: kaufmännischen Anstellungsverhältnisfe
bei den ordentlichen Gerichten gemacht hat, und zeigen gleichfalls, daß
für kaufmännische Schiedsgerichte höchstens in Großstädten ein Raum
wäre, daß solche Gerichte aber in mittleren und kleinen Städten an
chronischer Beschäftigungslosigkeit leiden würden.
Neben den Gründen rechtlicher Natur sind es sodann politische
Motive, die für die Errichtung kaufmännischer Schiedsgerichte an-
geführt werden.
Nun ist es von vornherein als bedenklich zu bezeichnen, wenn
Recht und Politik uni einander vermischt werden, wenn politische
Gründe als Stütze einer Rechtsinstitution dienen sollen. In unserem
Falle aber darf man sich durch die von den Befürwortern der Schieds-
gerichte ins Feld geführten politischen Erwägungen um so weniger be-
stimmen lassen, als diese Erwägungen von unrichtigen Voraussetzungen
ausgehen und zu unrichtigen, mit der Erfahrung des Lebens im
Widerspruche stehenden Folgerungen gelangen.
Man erwartet von der gemeinsamen Thätigkeit der Prinzipale
und Handlungsgehilfen in den Schiedsgerichten, wo beide Theile völlig
gleichberechtigt neben einander stehen, eine Besserung der persön-
24) S. Zeitschrift „Handel und Gewerbe" Jahrg. 8 S. 372.
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