Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

Fürsorgeerziehung.

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„in denen die Kosten der Unterbringung aus dem Vermögen des
lindes oder von den Unterhaltspflichtigen bestritten werden können",
ausdrücklich verneint (s. oben), erklärte der Minister des Innern
in der Kommission des Abgeordnetenhauses, daß „zweifelsohne
auch reiche Kinder" nach den Vorschriften des Fürsorgeerziehungs-
Gesetzes zu behandeln seien, wie aus §16 hervorgehe. (Drucks, des
A.H. Nr. 183 S. 3.) In der Deutschen Juristenzeitung, Jahrgang
1901, stellt sich Winter (S. 154) auf den ersteren, Lindenau
(S. 207) auf den letzteren Standpunkt, den der Minister des Innern
auch in den Ausführungsbestimmungen unter I a. E. einnimmt.
Noelle (zu § 1 Anm. 7) bejaht die Anwendbarkeit des Ftrrsorge-
erziehungsgesetzes auf vermögende Minderjährige, läßt aber bei solchen
auch die Zwangserziehung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche zu.
Schmits meint (zu § 1 Anm. 4), bei vermögenden Minderjährigen
werde das Fürsorgeerziehungsgesetz nur in den seltensten Fällen
und statt dessen der Regel nach § 1666 B.G.G. in Betracht kommen.
Aschrott endlich vertritt die Auffassung (S. 45 u. 46), daß die Für-
sorgeerziehung nach Maßgabe des Fürsorgeerziehungsgesetzes nur „bei
Personen mit großem und sichergestelltem Vermögen" unzulässig,
bei anderen „vermögenden Minderjährigen" dagegen zulässig sei.
Als ob der praktische Vormundschnftsrichter mit so dehnbaren Be-
griffen wie „bemittelt", „vermögend" überhaupt operiren könnte! Soll
er, wenn er von Amtswegen gegen ein verwahrlostes Kind einschreiten
will, zunächst eine Berechnung anstellen, wie viel die Kosten einer
Zwangs- bezw. Fürsorgeerziehung betragen werden und ob das Kind
oder dessen unterhaltspflichtige Verwandte die Kosten werden tragen
können oder nicht, und soll er je nach dem Ergebnisse das Bürgerliche
Gesetzbuch oder das Fürsorgeerziehungsgesetz anwenden? • Aschrott
fühlt offenbar, wie mißlich dies wäre, er erkennt auch an, daß es „zu
großen Unzuträglichkeiten führen" würde, „wenn man einen Minder-
jährigen zunächst auf eigene Kosten zwangsweise unterbringen und
dann, wenn sich die Vermögensverhältnisse als unzureichend zur Be-
streitung der Kosten Herausstellen oder sich verschlechtert haben, oder
wenn von den Unterhaltspflichtigen die Kosten nicht oder nicht ganz
beigetrieben werden können, das Verfahren auf Grund des Gesetzes,
vom 2. Juli 1900 einleiten wollte". Daher jene für den Vormund-
schaftsrichter unverwerthbare Unterscheidung zwischen Personen mit

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