Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

Privatoersicherungsgesetz.

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§§ 15, 19—21, 101, 120, 122. Danach ist der Versicherungsverein
auf Gegenseitigkeit, wie der gewählte Name zum Ausdrucke bringt,
ein privater Verein, keine Gesellschaft, keine Genossenschaft, keine Hülfs-
kasse, keine öffentliche Anstalt. Der Verein besitzt Rechtsfähigkeit. Rechts-
verhältnisse werden nicht zwischen den einzelnen Mitgliedern als solchen,
sondern nur zwischen dem Verein einerseits und einem Mitglied anderer-
seits begründet. Der Zweck des Vereins ist der Betrieb der Versicherung
seiner Mitglieder nach oem Grundsätze der Gegenseitigkeit. Er geht
dahin, den aus einem gefährdenden Ereignisse bestimnrter Natur für das
einzelne Mitglied erwachsenden Nachtheil in der Weise zu decken, daß
er verhältnißmäßig von der Gesammtheit der Mitglieder, also unter
Betheiligung der von dem Ereignisse selbst Betroffenen, getragen wird.
Wesentlich ist hiernach für die Gegenseitigkeitsversicherung, daß ein jedes
Vereinsmitglied in einem Versicherungsverhältnisse zu dem Vereine steht
(§ 20). Kann Niemand Mitglied werden, ohne zugleich Versicherung
zu nehmen, so ist andererseits begrifflich nicht ausgeschlossen, daß ein
Bersicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungen mit Nicht-
mitgliedern gegen eine feste Prämie abschließt, also als sogenannter
gemischter Verein zugleich Erwerbsversicherung betreibt (§ 21 Abs. 2).
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs erlangt ein
Verein, dessen Zweck auf einen wirthschaftlichen Betrieb gerichtet ist,
in Ermangelung besonderer reichs- oder landesrechtlicher Bestimmungen
die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung (§ 22 B.G.B.).
Ein Verein, der die Versicherung seiner Mitglieder nach dem Grundsätze
der Gegenseitigkeit betreiben will, erlangt, abweichend davon, als „Ver-
sicherungsverein aus Gegenseitigkeit" die Rechtsfähigkeit durch die von
der Versicherungsaufsichtsbehörde ertheilte Erlaubniß zum Geschäfts-
betrieb, ohne daß es einer besonderen Verleihung bedarf (§ 15). Damit
erlangt er auch im Prozesse die für ihn unentbehrliche volle Prozeß-
fähigkeit, während er ohne Rechtsfähigkeit nur passiv parteifähig sein
würde (§ 50 C.P.O.).
Keine ausdrückliche Vorschrift enthält das Gesetz über die Frage,
ob und durch wen einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die
Rechtsfähigkeit wieder entzogen werden kann, wenn er nach der Zu-
lassung einen anderen als den in der Satzung bestimmten,- wenn er ins-
besondere etwa einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck
verfolgt (vgl. § 43 B.G.B.). Das Verfahren des § 44 B.G.B. ist

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