Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

Civilistische Rundschau.

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Der Verfasser legt in diesem wesentlichsten Theile seiner Schrift überzeugend
dar, daß der Begriff „Rechtsnachfolge" im Sinne des 8 325 einen viel weiteren
Sinn hat, als man es aus den ersten Blick anzunehmen geneigt ist. Ja, er
kommt schließlich dem von ihm grundsätzlich abgelehnten Standpunkte der Wach'-
schen Rechtskraftslehre einigermaßen nahe, indem er eine an das ergangene
Urtheil gebundene Rechtsnachfolgeschaft überall da als vorliegend erachtet, wo
das Recht des Zweiten nicht ohne ein vorgängiges Recht der stüheren Prozeh-
partei, als seine conditio sine qua nop, hätte ins Leben treten können.
Insbesondere zählen zu den Rechtsnachfolgern im Sinne Hellwig's: der
Nacherbe (S. 219 ff.), Schuldübernehmer (S. 323, auf den übrigens der Ausdruck
Rechtsnachfolger m. E. herzlich schlecht paßt), Indossatar; nicht minder die von
Hellwig gut als solche der restitutiven Succession bezeichneten Fälle, S. 259ff.
— ein Gesichtspunkt, unter den er auch den bekannten schlesischen Rechtsfall,
anläßlich dessen Wach und Laband Fischer gegenübertraten, faßt, um so für
denselben trotz Ablehnung seiner Prämissen zu einem dem Wach'schen ent-
sprechenden Ergebnisse zu gelangen. Ferner gehören dahin die Fälle einer Okku-
pation derelinquirter Sachen, S. 273, der Ersitzung, S. 277, der Verträge zu
Gunsten Dritter, S. 280.
Von großem Interesse ist auch das den ganzen Rest des Buches, von
S. 377 ab, ausfüllende vierte Kapitel. Hier gewinnt Verfasser das Prinzip:
a) In der Regel wirkt die Prozeßführung des Nichtberechtigten, der sich
fälschlich für den Berechtigten ausgegeben hat und vom Gegner dafür gehalten
wurde, weder für noch gegen den wirklichen Berechtigten, S- 476.
b) Aber diese Regel ist wiederum von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen,
S. 480. Sie lassen sich kurz dahin formuliren: „Bei der Frage, ob die Rechts--
kraft sich auf die Parteien beschränkt oder sich über sie hinaus auf Dritte er-
streckt, finden die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes zu Gunsten derjenigen, die
Rechte vom Nichtberechtigten ableiten, entsprechende Anwendung."
Hier wirkt die Rechtskraft daher, analog wie die Verfügung des Nicht-
berechtigten im bürgerlichen Rechte, nur Rechtsverlust, nicht auch Rechts-
erwerb vermittelt, zum Schaden, nicht zum Nutzen des Dritten, S. 487.
Durch das ganze Buch hindurch finden sich auch zahlreiche für den reinen
Civilisten werthvolle Erörterungen. Insbesondere scheint mir gelungen und über-
zeugend die Unterscheidung zwischen Vertretungs- und Verfügungsmacht. Letztere
liegt vor, wenn ein Anderer als der Berechtigte die Macht hat, durch die im
eigenen Namen vorgenommene Verfügung die Rechtsnachfolge in das fremde
Recht herbeizuführen, S. 96. Dazu zählt auch, wie der Verfasser unter durch-
schlagender Polemik gegen eine früher von mir (Jhering's Jahrbücher 31 S. 450),
vertretene Lehre darlegt, u. A. der Fall des Verkaufs durch den Pfandgläubiger,
S. 99.
Damit hängt die m. E. gleichfalls voll erwiesene Annahme Hellwig's
zusammen, die im Erwerbe vom Nichtberechtigten keinen originären, sondern einen
derivativen sieht: er beruht darauf, daß jemand die Verfüguugsmacht besitzt, das
fremde Recht auf einen Anderen zu übertragen, S. 103.
Archiv für bürgerliches Recht. XX. Band.

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