Full text: Kritische Ueberschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1859))

Der Schwurgerichtsstreit in Deutschland.

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gelehrten Richtern zusammengesetztes Gericht, von denen die
ersteren für jeden Verbrechensfall zum Urtheil über das Vor-
handenseyn eines Verbrechens im gesetzlichen Sinn und der
Schuld einer bestimmten Person daran (s. g. That- oder Schuld-
frage) berufen und eidlich verpflichtet, die letzteren aber mit der
Leitung der Beweisverhandlung und dem Urtheilsspruch über
die Strafverhängung (s. g. Rechts- oder Straffrage) betraut
sind, in Deutschland einzuführen, erwachte erst, als dieses Institut
in Frankreich während der französischen Revolution seit dem Decret
vom 30 April 1790 nach englischem Muster beschlossen und ein-
geführt, unter den Schwankungen der Revolution gemißbraucht,
dann von Napoleon im code d’instraction criminelle von
1808 „imperialistrt" worden war und mit diesem in den Rhein-
landen sich festgesetzt hatte.
§. 2.
Der Streit über die Vorzüge und Nachtheile des Schwur-
gerichts begann in Deutschland, wo es zur Zeit der Napoleonischen
Macht natürlich nicht an Verehrern aller französischen Institute
fehlte, mit der damals etwas gewagten Veröffentlichung der frei-
müthigen, wenn auch oft hinter Ironie sich verbergenden Betrach-
tungen Anselm von Feuerbachs über das Geschwornengericht,
Landshut, 1813, welche jedoch schon im August 1812 erfolgte.
Feuerbach sprach sich darin entschieden gegen die Jury Frankreichs,
welche man damals in Deutschland zu verehren anfing, aus,
wurde aber sonderbarerweise zugleich mit Grolman von nach-
folgenden Schriftstellern einer Meinungsänderung beschuldigt, wo-
gegen er sich in. einer „Erklärung über seine, angeblich geänderte
Ueberzdugung in Ansehung der Geschworenengerichte", Erlangen
1819, verwahrte. Hierin sprach er sich entschiedener gegen „das
Schooßkind Buonoparte's, welches er wie seinen Augapfel hütete^,
aus, da er nunmehr der Gefahr, „in die Dolche der hohen
Polizei zu rennen", entgangen war; aber die Gefahr schwebte ihm
noch lebhaft vor, denn er sagt selbst von seiner ersten Schrift:
„Es galt nichts Geringerm, als in jener Schrift unter anderm
die Gaukelei zu enthüllen, die von dem Gewaltherrn mit einer bloß
der Freiheit angehörenden Staatseinrichtung getrieben wurde, den
Charakter einer unbeschränkten und gewaltthätigen Regierung,
ihren tödtlichen Einfluß auf den Geist eines in die Nichtigkeit ver-
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