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Der Schwurgerichtsstreit in Deutschland.
sondern von Laien aber verständigen und ehrenhaften Männern
ausgesprochen werden solle, war, ehe sich noch in Deutschland der
Kampf über Einführung der Oeffentlichkeit, Mündlichkeit und
Schwurgerichte entspann, wohl weniger ein schwacher Nachhall der
altern deutschen Volksrechtssprechung, am wenigsten aber wohl der
nach und nach sehr in Mißcredit gekommenen Schöffensprüche,
sondern man mochte wohl schon gegen Ende des vorigen Jahr-
hunderts das englische Geschworneninstitut in Deutschland der
Beachtung für Werth halten, und sich die Frage gestellt haben,
ob denn die Beantwortung der Schuldfrage im Sirafproceß nicht
richtiger von Laiengerichten als von rechtsgelehrten Richtern er-
folgen könne. Interessant ist darüber der Ausspruch des alten,
ehrwürdigen Justus Möser in seinen patriotischen Phantasien,
I. S. 338., weil er uns schon mitten in den jetzt von neuem
geführten Kampf zwischen Schwurgericht und rechtsgelehrten Richter-
collegien versetzt und den Kernpunkt dieses Streites in der Gegen-
wart berührt. Möser sagt a. a. O.: „Was kann unbilliger
und grausamer seyn, als einen Menschen zu verdammen, ohne
gesichert zu seyn, daß er das Gesetz, dessen Übertretung ihm zur
Last gelegt wird, begriffen und verstanden habe, oder begreifen
und verstehen könne? Die deutlichste Probe aber, daß ein
Verbrecher das Gesetz verstanden habe, oder doch verstehen könne
und solle, ist unstreitig diese, wenn sieben oder zwölf ungelehrte
Männer ihn darnach verunheilen, und durch eben dieses Urtheil
zu erkennen geben, wie der allgemeine Begriff des übertretenen
Gesetzes gewesen, und wie jeder mit bloßer gesunder Vernunft
begabte Mensch solches ausgelegt habe. Dieß ist die einzige Probe
von der wahren Deutlichkeit des Gesetzes, welche der Gelehrte nie
geben kann, weil seine Sinne zu geschärft, zu fein, und über den
gemeinen Begriff zu sehr erhaben, auch den natürlichsten Gefühlen,
Ansichtsweisen, Verhältnissen und Gewohnheiten der Bürger kasten-
mäßig, oft gegnerisch sind." Wir heben besonders hervor, daß
Möser nur die Garantie für eine wahrhaft gerechte, nicht bloß
die objektiven Momente eines Verbrechens, sondern besonders die
subjectiven, die wirkliche und innere Schuld des Thäters be-
treffenden, berücksichtigende Rechtssprechung, keineswegs aber irgend
welche politischen Vorzüge eines Laiengerichtes im Auge hatte.
Die Idee jedoch, das Schwurgericht als ein aus Laien und rechts-