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Das Hausgesetz der Grafen von Giech.
gebotener Neuerungen in Anordnung der ihre Wirksamkeit be-
dingenden Voraussetzungen frei gewähren zu lassen. Eine zweck-
entsprechende Organisation der Familien- und Vermogensverhältniffe
ist nur für solche Geschlechter denkbar durch Anwendung des Rechts-
instituts des Familienfideikommisses oder durch Uebung der ihnen
zugestandenen autonomischen Gewalt. Die letztere läßt, wie alle
vorausgehenden Ausführungen ergeben haben, eine weit freiere
Bewegung zu als die erste, und hat überdieß einen entschiedenen
principiellen Vorzug vor derselben voraus. Es ist nämlich nichts
natürlicher, als daß ein Geschlecht, welches zu einer bestimmten
bleibenden politischen Stellung berufen und befähigt ist, seine innern
diese Stellung bedingenden Verhältnisse auf dem Weg der Selbst-
gesetzgebung regulire; es erfüllt damit unmittelbar seinen (politischen)
Beruf, bleibt sich nothwendig immer bewußt, wie seine innere
Organisation nur Mittel für seine äußeren Zwecke ist. Bei dem
Familienfideicommiß dagegen, welches lediglich aus dem Privat-
willen des Stifters beruht*), ist von dem durchaus unpolitischen
Gedanken ausgegangen, einem Geschlechte eine dauernde Stätte für
politische Wirksamkeit schaffen zu wollen durch einen unab-
änderlichen Act reinen Privatwillens. Die Selbständigkeit
der Spätem, die erste Voraussetzung ihrer politischen Thätigkeit,
wird damit geradezu negirt, ihr Blick ausschließlich auf die für sie
schlechthin entscheidende Vergangenheit geseffelt, für sie das, was
ursprünglich nur Mittel seyn sollte, unwillkürlich in den letzten
Zweck verwandelt, da sie das zu unbehilflicher Unbeweglichkeit ver-
urtheilte Familienfideicommiß nicht als ein Mittel zu benutzen
vermögen, das, selbst veränderlich, den sich verändernden Zwecken
sich fügt. So werthvoll die Autonomie des hohen Adels ist —
und sie könnte auch andern Familien in analogen Verhältnissen
zugestanden werden — so bedeutende Bedenken stehen meines Erach-
tens dem Familienfideicommiß entgegen. Es ist wesentlich nur
eine Nachahmung der durch Abstraction gefundenen gewöhnlichsten
und hauptsächlichsten Bestimmungen der hochadeligen Hausgesetze**);
indem aber diese zu einem objektiven Rechtsinstitut condensirt
*) Gerber a. a. O. S. 54—57. 71. 95. Beseler. System III.
tz. 176. S. 55.
**) Vrgl. Beseler Syst. HI. §. 174. 176. S. 56.