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56. Jahresbericht der rheinisch-westphälischen Gefängnißgesellschaft über das Vereinsjahr 1882/83. Im Selbstverlage der Gesellschaft. Düsseldorf 1883
Literarische Anzeigen.
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56. Jahresbericht der rheinisch-westphälischen Gefängnißgesellschaft über
das Vereinsjahr 1882/83. Im Selbstverläge der Gesellschaft. Düssel-
dorf 1883. — S. 108.
Abgesehen von den geschäftlichen Notizen enthält der Jahresbericht
mehrere interessante Beiträge, unter anderem über „Die jugendlichen
Gefangenen" von Pastor S tursb erg, ein Aufsah, der auch als Sepa-
ratabdruck 1884 in Düsseldorf erschienen ist. Das Resultat, zu dem
Pastor Stursberg gelangt, ist in folgenden Sätzen niedergelegt:
Tie Unterbringung in Erziehungs- und Besserungsanstalten auf
Grund des K. 36 des R.St.G.B.'s wird laut statistischem Ausweis sehr
ungleichmäßig gehandhabt. Ter Grund davon liegt in der ungleichen
Vertheilung derartiger Anstalten, die im Westen der preußischen Monarchie
viel zahlreicher sind als im Osten. Es wäre daher vor Allem dafür zu
sorgen, dem Richter auch überall die practische Möglichkeit zu gewähren,
auf diese Strafart zu erkennen, durch Errichtung neuer Rettungsanstalten.
Sodann kommt Referent, indem er die Wurzeln des jugendlichen Ver-
brecherthums kurz berührt, zu dem an zahlreichen actenmäßigen Beispielen
erläuterten Satze, daß in den meisten Fällen die Eltern es sind, die
direct oder indirect ihre Kinder auf die Bahn des Verbrechens treiben,
daß in vielen Fällen „die Lage eines Kindes so ist, daß man sich schier
verwundern müßte, wenn es nicht zum Verbrecher würde". Als wirk-
sames Gegenmittel wird empfohlen die Ueberweisung zur Zwangserziehung
auch in Fällen zu ermöglichen, wo das Kind unter 12 Jahren noch keine
strafbare Handlung begangen hat, andererseits den Richter zu autorisiren,
auch nach verbüßter Strafe noch Zwangserziehung eintreten zu lassen.
Eine zweite Quelle des jugendlichen Verbrecherthums sieht Referent theil-
weise in der Art des Strafvollzuges selbst. Rur zum kleinsten Theile
sei es möglich, Freiheitsstrafen gegen die Jugend auf die hiefür einzig
rationelle Weise, durch Jsolirsystem, zu vollziehen. In der That muß
es Jedem klar sein, wie oft gar keine Strafe besser wäre als eine ohne-
dieß kurze Freiheitsstrafe, verbüßt in einer Gesellschaft, die den vielleicht
erst halbwegs verdorbenen jungen Menschen nun recht gründlich in alle
Schliche und Jrrgänge des Lasters und Verbrechens einweiht.
Daß diese kurzen Freiheitsstrafen nicht bloß für das jugendliche
Alter ihre bedenkliche Seite haben, ist auch das Ergebniß, zu dem der
weiterhin folgende „Bericht über die Specialconferenz der Strafanstalts-
directoren und Beamten" vom 10. October 1882 gelangt. Diese über-
mäßig häufige und dabei nicht ausgiebige Anwendung der Freiheitsstrafe
muß nothwendig ihre moralische Wirkung abschwächen. Ter Satz ist
nicht neu; schon vor 300 Jahren hat das Concil von Trient, indem es