Von Schwarze.
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kammerurtheile eine Verkürzung des Rechtsschutzes in sich schließe,
so würden die verbündeten Regierungen nicht ermangeln, die
Berechtigung dieser Auffassung einer eingehenden Prüfung zu
unterwerfen." Der Herr Staatssecretär bezog sich hierbei auf
eine Erklärung des kgl. preußischen Justizministers, welcher sich
dahin ausgesprochen, daß er einem solchen Votum des Reichs-
tags nicht von vornherein ablehnend gegenübertreten, sich vielmehr
für verpflichtet halten würde, die angeregte Frage im Schooße
des preußischen SLaatsministeriums zum Gegenstand einer ernsten
Erwägung zu machen. Der Herr Staatssecretär bemerkte schließ-
lich, daß jedoch die Frage nicht als eine isolirte in die Hand
genommen werden könne, ihre Lösung vielmehr davon abhängig
gemacht werden müsse, ob es gelingen werde, über eine weiter-
gehende, durch die Zulassung der Berufung unbedingt gebotene
Revision des Gerichtsverfasfungsgesetzes und der Strafproceß-
ordnung zu einem Einverständnisse zu gelangen.
Ein weiterer bedeutsamer Vorgang ist die Verhandlung und
Beschlußfassung des neunten Deutschen Anwaltstages in Dresden
(am 6. und 7. Juni 1884), welcher sich mit der Berufungsfrage
beschäftigt hat. Der Anwaltstag zu Heidelberg (September 1881)
hatte bereits sich dahin ausgesprochen, „daß die Einführung der
Berufung gegen die erstinstanzlichen Urtheile der Strafkammern
ein dringendes Bedürfniß sei," während der Anwaltstag zu
Dresden sich mit der näheren Ausführung dieses Beschlusses,
mit der Gestaltung der Berufung, beschäftigen sollte. Dem An-
waltstage zu Dresden lagen vor: 1) ein sehr ausführlicher Auf-
satz des Rechtsanwalts Dr. Iacobi zu Berlin, welcher bereits
in seiner bekannten Schrift: „Ter Rechtsschutz im deutschen
Strafverfahren" (Berlin, 1884) sehr lebhaft in den Streit mit
eingetreten ist und für die Berufung entschieden sich erklärt
hatte; 2) der Bericht desselben Verfassers an den Anwaltstag
„über die Einführung und Gestaltung der Berufung gegen die
Urtheile der Strafkammern"; 3) der Bericht des Rechtsanwalts
Hänle zu Ansbach an den Anwaltstag, „betreffend die Ab-
änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafproceß-
ordnnng", nebst einem, dem Munke loschen Gesehesentwurfe sich