Full text: ¬Der Gerichtssaal (Jg. 37 (1885))

2 Tie Berufung im Strafverfahren und die St.P.O.
hat sich jedoch (Referent Abgeordneter Dr. Schröder, Wittenberg)
dahin geeinigt, dem Reichstage den Uebergang zu einer moti-
virten Tagesordnung vorzuschlagen. Dieser Vorschlag ist im
Reichstage nicht zur Berathung gelangt. Derselbe lautet:
Der Reichstag wolle beschließen:
in Erwägung,
1) daß die Wiedereinführung der Berufung eine tiefgreifende
Revision nicht nur der Strafproceßordnung, sondern auch des
Gerichtsverfassungsgesetzes voraussetzt, daß sich aber bei der Kürze
der Zeit, welche seit dem Jnslebentreten der Justizgesetze ver-
flossen ist, ein abschließendes Urtheil über das Bedürfniß zu
einer solchen Revision nicht hat gewinnen lassen;
2) daß auch den Beschwerden über die Strafrechtspflege,
welchen die Anträge der Abgeordneten Munkel und Genossen —
Nr. 27 der Drucksachen — und Reichensperger (Llpe) —
Nr. 29 der Drucksachen — durch Einführung des Rechtsmittels
der Berufung begegnen wollen, durch eine dem Geiste der Straf-
proeeßordnung entsprechende Handhabung dieses Gesetzes abgeholfen
werden kann,
geht der Reichstag über die Anträge Munkel und Genossen —
Nr. 27 der Drucksachen — und Reichensperger (Dlpe) —
Nr. 29 der Drucksachen — zur Tagesordnung über.
Von Wichtigkeit ist hierbei die Erklärung, welche der Staats-
sekretär des Reichsjustizamts Dr. v. Schellrng abgegeben.
Dieselbe nimmt theils darauf Bezug, daß die Zeit, welche seit
dem Jnslebentreten der Justizgesetze verflossen, zu kurz sei, um
ein abschließendes Urtheil über die Frage zu ermöglichen, theils
auf die Ansicht der Gerichte, welche in ihrer Mehrzahl ein Be-
dürfniß, gegen die Urtheile der Strafkammern die Berufung
zuzulassen, nicht anerkennen. Der Herr Staatssecretär gab jedoch
zu, daß die Erfahrung der Behörden nicht das allein ausschlag-
gebende Moment sein könne, und daß es für eine gedeihliche
Wirksamkeit der Strafrechtspflege von hoher Bedeutung sei, daß
die Rechtsprechung von dem Vertrauen der öffentlichen Meinung
getragen werde. „Sollte daher im Reichstage die Ansicht zur
Geltung gelangen, daß der Ausschluß der Berufung gegen Straf-

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