Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 14 (1909))

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XIV. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1909 Nr. 13.

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wurde am 24. Oktober 1908 dem Reichstage der
Entwurf zu einem „Gesetze über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen“ vorgelegt, welcher inzwischen mit
den vom Reichstage beschlossenen Aenderungen
Gesetz geworden ist1).
Das Gesetz enthält in seinem ersten Teile Ver-
kehrsvorschriften (§§ 1—6), im zweiten Teile (§§ 7
bis 20) Vorschriften über die Haftpflicht, im dritten
Teile (§§ 21—25) Strafvorschriften. Der letzte
Paragraph (§ 26) enthält Vorschriften über das In-
krafttreten des Gesetzes.
Nach § 1 Abs. 1 müssen Kraftfahrzeuge, die
auf öffentlichen Wegen oder Plätzen in Betrieb
gesetzt werden sollen, von der zuständigen Behörde
zum Verkehr zugelassen sein. Der Begriff des
Kraftfahrzeuges ist definiert im § 1 Abs. 2. Da-
nach gelten als Kraftfahrzeuge „Wagen oder Fahr-
räder, welche durch Maschinen kraft bewegt werden,
ohne an Bahngleise gebunden zu sein“. Nach dem
Gesetze ist also ein Anhängewagen mit als Kraft-
fahrzeug anzusehen. Ferner fallen unter diesen
Begriff auch elektrische Wagen, welchen durch
Drähte die elektrische Kraft zugeführt wird, die
dabei aber nicht auf Schienen laufen.
Darüber, was unter einem Wagen zu verstehen
ist, geben die Motive keine Auskunft. Man wird
darunter ein Gefährt zu verstehen haben, welches
zur Beförderung von Personen oder von Lasten
bestimmt ist. Eine bewegliche Lokomobile oder eine
Dampfstraßenwalze sind deswegen wohl nicht als ein
Wagen anzusehen und fallen nicht unter das Gesetz.
Ebenso wie das Fahrzeug auf seine Tauglich-
keit geprüft werden muß (§ 1 Abs. 1), muß auch
der Führer, welcher das Kraftfahrzeug auf öffent-
lichen Wegen oder Plätzen führen will, seine Be-
fähigung durch eine Prüfung nachweisen. Er be-
darf eines Führungsscheines, welcher ihm nicht nur
versagt werden kann, wenn er nicht die nötigen
technischen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt,
sondern auch bei ungenügender moralischer Quali-
fikation. Die §§ 2—6 des Gesetzes enthalten die
Vorschriften über die Erteilung, über Versagung und
über Entziehung der Fahrerlaubnis sowie über den
Erlaß von Ausführungsbestimmungen.
Die grundlegende Vorschrift über die Haft-
pflicht findet sich im § 7 Abs. 1 des Gesetzes:
„Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ein
Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines
Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der
Halter des Fahrzeuges verpflichtet, dem Verletzten den
daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
Dieser Abs. 1 schließt sich in seinem Wort-
laute an den Wortlaut des ersten Teiles des § 1
des Reichshaftpflichtgesetzes an2). Er enthält eine
Ausdehnung insofern, als er sich auch auf Sach-
schäden bezieht.
Ersatzpflichtig ist der „Halter des Fahrzeuges“.
Dieser Ausdruck ist gewählt in Anlehnung an das
Wort „Tierhalter“. In § 7 Abs. 3 ist jedoch zur
Beseitigung von Zweifeln und Härten bestimmt,
1) Reichsgesetzblatt Nr. 26 v. 12. Mai 1909, S. 437—444.
2) Gesetz v. 7. Juni 1871 in der Fassung des Art. 42 EG. z. BGB.

daß dann, wenn das Fahrzeug ohne Wissen und
Willen des Fahrzeughalters von einem anderen in
Betrieb gesetzt wird, dieser an Stelle des Halters
zum Ersätze des Schadens verpflichtet ist.
Die Einfügung der Worte „dem Verletzten“,
welche sich im Reichshaftpflichtgesetz nicht finden,
hat nur Bedeutung für Sachschäden; denn für den
Fall der Tötung und Verletzung von Personen ist
in den §§ 10, 11 und 13 des Gesetzes im einzelnen
bestimmt, was als Schadensersatz zu leisten ist und
welche Personen Anspruch auf Schadensersatz
haben. Diese Vorschriften decken sich sachlich
und außer einer geringfügigen redaktionellen Aende-
rung auch dem Wortlaute nach mit den §§ 3 und 3a
des Reichshaftpflichtgesetzes. Danach ist der di-
rekte Vermögensschaden, dieser freilich im weitesten
Umfange, zu ersetzen. Für alle anderen Schäden
wird kein Ersatz geleistet.
Bei Sachbeschädigungen ist die Ersatzpflicht
nicht beschränkt auf direkte Schäden. Der Ver-
letzte kann also Ersatz des entgangenen Gewinnes
und sonstiger indirekter Schäden (z. B. Ersatz von
Vertragsstrafen) beanspruchen. Die einzige Be-
schränkung liegt darin, daß nur „der Verletzte“
ersatzberechtigt ist. Personen, die durch den Unfall
nur mittelbar einen Nachteil erleiden, können des-
halb keinen Anspruch erheben.
Soweit der Fahrzeughalter aus anderen Ge-
sichtspunkten, besonders dem des Verschuldens,
unbeschränkt haftet, behält es dabei auch in Zu-
kunft sein Bewenden (§ 16). Bezüglich der Haftung
auf Grund des Gefährdungsprinzips gemäß §§ 7—15
enthält dagegen das Gesetz verschiedene Ein-
schränkungen und Ausnahmen.
Nach § 12 ist die Haftung beschränkt bei der
Tötung oder Verletzung eines Menschen auf einen
Kapitalbetrag von 50 000 M. oder einen Renten-
betrag von jährlich 3000 M., im Falle der Tötung
und Verletzung mehrerer Menschen auf das Drei-
fache des vorstehenden Satzes, im Falle der Sach-
beschädigung auf 10 000 M.
Ferner ist nach § 8 die Haftung ausgeschlossen:
1. wenn zur Zeit des Unfalls der Verletzte oder
die beschädigte Sache durch das Fahrzeug befördert
wurde oder der Verletzte bei dem Betriebe des
Fahrzeugs tätig, war,
2. wenn der Unfall durch ein Fahrzeug ver-
ursacht wurde, das nur zur Beförderung von Lasten
dient und auf ebener Bahn eine auf 20 km be-
grenzte Geschwindigkeit in der Stunde nicht über-
steigen kann.
Auch schon im § 7 selbst enthält das Gesetz
eine besonders wichtige Einschränkung der Haftung.
Nach § 7 Abs. 2 ist nämlich die Ersatzpflicht aus-
geschlossen,
„wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis ver-
ursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Be-
schaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner
Verlichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis
insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Ver-
letzten oder eines nicht bei dem Betriebe beschäftigten
Dritten oder eines Tieres zurückzüführen ist und sowohl

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