20.1.4.
Das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909
(RA. v. Damm, M. d. R.)
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XIV. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1909 Nr. 13.
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oder Multiplikationsfehler beruhend, vielleicht auch
diese Berechnung selbst. Aber mit der Erklärung
und dem Willen hängt diese Irrung zeitlich in
der Regel — sie wird ihr meist vorausgehen —
und psychologisch allgemein nicht unmittelbar
zusammen; sie bildet dafür nichts als einen Beweg-
grund: weil man an die Richtigkeit des voll-
zogenen Kalküls glaubte, hat man den entsprechen-
den Preis verlangen wollen; aber was man danach
verlangen wollte, hat man auch erklärt und im Ver-
trage zugebilligt erhalten. Der Irrtum betraf keinen
Bestandteil des Geschäfts, nicht den Geschäfts willen,
sondern nur die bei der Bildung des Geschäfts-
willens psychologisch maßgebenden Faktoren. Daß
ein solcher Irrtum im bloßen Motiv grundsätzlich
unbeachtbar sei, wird nicht widerlegt, sondern be-
stätigt durch den bekannten Abs. 2 des § 119, wo-
nach gewisse Fälle des Eigenschaftsirrtums als In-
haltsirrtum gelten sollen. Mag auch der sog. error
in qualitate mit Zitelmann (Irrtum und Rechts-
geschäft) psychologisch als bloßer Motivirrtum
aufzufassen sein: im Sinne der gesetzlichen Be-
handlung soll er dafür nicht gelten. Glaubte aber
der Gesetzgeber, bei diesen auf der Grenze stehen-
den Fällen die Rechtserheblichkeit besonders aus-
sprechen zu müssen, während er über die anderen,
dem Geschäftsirrtum viel ferner stehenden Fälle des
Motivirrtums schwieg, so erscheint dies Schweigen
als hinreichend beredt —, wenn irgendwo, ist hier
ein zwingender Umkehrschluß am Platze. Daß aber
auch und gerade der Kalkulationsirrtum viel weniger
unmittelbar mit der Erklärung zusammenhängt als
der Eigenschaftsirrtum, ist doch sonnenklar: dieser
hat es unmittelbar mit der Ware, dem Geschäfts-
gegenstand selbst zu tun — er schreibt ihm etwas
zu, was ihm in Wahrheit fehlt, während beim Kal-
kulationsirrtum der Irrende sowohl von der zu
liefernden Ware als von der Höhe des dafür zu er-
langenden Preises eine richtige Vorstellung hat.
Das ist, wie mir scheint, so klar, daß darüber
weitere Untersuchungen entbehrlich erscheinen. Frag-
lich kann nur sein, ob nicht wenigstens für gewisse
Fälle verfehlter Berechnungen aus besonderen Grün-
den anders zu entscheiden sei. Das glaube ich in
der Tat bejahen zu müssen.
a) Das zwar scheint mit den Hamburger Ent-
scheidungen vom 7. Nov. 1906 und 1. März 1909
entschieden abgelehnt werden zu müssen, daß die
Ausnutzung des Kalkulationsfehlers durch den Ge-
schäftsgegner eine moral- und damit im Sinne der
§§ 242, 826 BGB. auch rechtswidrige Handlungs-
weise darstelle. Es mag unter Umständen —
keineswegs immer — eine arglistige Täuschung
darstellen, wenn der Gegner den Berechnungsfehler
beim Geschäftsschluß sofort erkannte und dazu still-
schwieg: aber in diesen, seltenen, Fällen bestimmt
sich die Rechtsfolge nach den hier nicht darzu-
stellenden besonderen Regeln der §§ 123—124. Da-
gegen muß es als zwar vielleicht nicht besonders
„fair“, aber mit den Grundsätzen der Moralgebote
durchaus vereinbar erklärt werden, wenn der Ge-
schäftsgegner sich weigert, in die Auflösung des
vollkommen rechtsgültig geschlossenen Geschäftes
um deswillen zu willigen, weil ihm nachträglich der
Berechnungsfehler der anderen Partei dargelegt wird.
Er hat auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut,
seine Dispositionen danach eingerichtet, — will er
es aufrechterhalten wissen, so ist das von seinem
Standpunkt aus ein Akt berechtigter Interessen-
wahrung. Das mag „un vornehm“ sein, aber Vor-
nehmheit in Handel und Wandel kann weder das
Recht noch die Moral erzwingen; wollte und könnte
sie es, so hörte das erzwungene Verhalten damit ja
auf, etwas Besonderes, Vornehmes darzustellen.
b) Wohl aber dürfte für die Anfechtbarkeit
wegen Irrtums dann Raum sein, wenn der Rechen-
fehler nur bei der Addition einer Mehrheit von
Einzelpreisen oder auch Wareneinheiten, die für
sich stimmten, vorgekommen ist (so auch Dern-
burg a. a. O. Anm. 16 und die dort zitierte Entsch.
des RG. VI v. 13. Mai 1889 Bd. 24 Nr. 32 S. 169 f.).
In solchen Fällen haben die Einzelpreise wenigstens
möglicherweise selbst einen Bestandteil des Ge-
schäftsinhalts gebildet, ihren Gesamtbetrag wollte
der Verkäufer oder Werkmeister fordern, und wenn
er schließlich seine Erklärung nur auf einen ge-
ringeren — oder der Käufer auf einen höheren —
Betrag richtete, so ist klar, daß er etwas anderes
erklärt hat, als er erklären wollte — nämlich als
die Summe der Einzelposten. Will man hier nicht
soweit gehen, das Geschäft als auf die richtige
Summenzahl geschlossen anzusehen1), so muß man
doch mindestens dem irrig Addierenden die An-
fechtung nach § 119 zubilligen.
Es kommt also immer darauf an, ob die schließ-
lich erklärte, vereinbarte Schlußsumme als solche
oder nur als Berechnungsergebnis, als die
kürzende Bezeichnung aller Einzelsummen erklärt
und vereinbart worden ist; letzterenfalls bezieht der
Irrtum sich auf die angenommene Identität der er-
klärten Schlußsummen mit dem Gesamtbeträge der
Einzelsummen und ist somit ein direkter Irrtum
über eine Verkehrs wesentliche Eigenschaft des Ver-
tragsgegenstandes.
Das Gesetz über den Verkehr mit Kraft-
fahrzeugen vom 3. Mai 1909.
Von Rechtsanwalt K. v. Damm, Vorsitzendem der Reichs-
tagskommission, Wolfenbüttel.
Im Jahre 1906 legten die verbündeten Re-
gierungen dem Reichstage einen Gesetzentwurf vor
„über die Haftpflicht für den beim Betriebe von
Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden“. Wegen
der Auflösung des Reichstages am 13. Dez. 1906
wurde indessen dieser Entwurf nicht verabschiedet.
Infolge der erhobenen Einwendungen wurden dann
von den Regierungen zunächst statistische Er-
hebungen angestellt über die Anzahl der Unfälle,
welche der Automobilverkehr verursacht. Darauf
q Was mir freilich nicht unbedenklich zu sein scheint.