Volltext: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 6 (1901))

19.6.4. Steuerpflichtigkeit des Emissions-Agios

19.6.5. Anstellung eines Gerichtsassessors bei der Aerztekammer

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Deutsche Juristen -Zeitung.

VI. Jahrg.

Eine solche Vereinigung genügt auch nicht etwa nur dem
Wortlaute des Gesetzes, sondern nicht minder dessen
Grundgedanken. Eine durch Vereinigung von Grund-
besitzern gebildete Kreditanstalt wird deshalb erfordert,
wfeil die Pfandbriefe einer derartigen Kreditanstalt in der
Haftung von Grundstücken und der genossenschaftlichen
Haftung der vereinigten Grundbesitzer eine sichere Unter-
lage haben. Diesem Zwecke der Vorschrift entspricht
eine durch Vereinigung von rechtsfähigen Grundbesitzer-
verbänden gebildete Kreditanstalt sogar in noch höherem
Grade als eine durch Vereinigung einzelner Grundbesitzer
gebildete, weil ihre Pfandbriefe in dem eigenen Vermögen
der Verbände eine weitere Sicherung finden.
Entspricht somit auch eine Kreditanstalt, die durch
Vereinigung von schon vorher in rechtsfähigen Verbänden
organisierten Grundbesitzern gebildet ist, den Anfor-
derungen des Gesetzes, so ist die Centrallandschaft eine
Kreditanstalt der im Gesetze vorausgesetzten Art. Jeder
Zweifel hierüber wäre sicherlich ausgeschlossen, wenn die
gesamte landschaftliche Organisation, die durch die Be-
gründung der Centrallandschaft abgeschlossen ist, genau
so, wie sie sich jetzt aus den Statuten der Provinzialland-
schaften und der Centrallandschaft ergiebt, von vornherein
uno actu geschaffen worden wäre. Niemand würde dann
aus den Bestimmungen über das Verhältnis der Central-
landschaft zu den Provinziallandschaften und den Darlehns-
nehmern ein Bedenken gegen die Anerkennung der
Centrallandschaft als einer durch Vereinigung von Grund-
besitzern gebildeten Kreditanstalt entnommen haben. Ist
dies aber richtig, so kann der Centrallandschaft diese
Anerkennung nicht auf Grund ebenderselben Bestimmungen
deshalb versagt werden, weil sie erst nachträglich ge-
gründet ist.
Auf die Einzelheiten des Statuts der Centrallandschaft
kommt es für die Frage der Mündelsicherheit m. E. nicht
an. Ich gehe daher auf die Ausführungen öwiklinski’s
über den Inhalt des Statuts nicht näher ein, beschränke
mich vielmehr auf die Bemerkung, dafs er diejenigen Be-
stimmungen mir nicht ausreichend zu würdigen scheint,
welche, wie namentlich auch der § 42, darauf hinweisen,
dafs die einzelnen Darlehnsnehmer nicht nur zu der
Provinziallandschaft, sondern auch zur Centrallandschaft
in rechtlichen Beziehungen stehen.
Geheimer Justizrat Greiff,
Vortragender Rat im Justizministerium, Berlin.

In No. 7 d. Bl. erwähnt Staub von neuem die Diver-
genz in der Rechtsprechung hinsichtlich der Steuer-
pflichtigkeit des Emissions-Agios. Die Bestimmungen
über die Einkommensteuerpflicht der Aktiengesellschaften
sind in den einzelnen Bundesstaaten, soweit diese über-
haupt eine allgemeine Einkommensteuer besitzen, im
Wesentlichen die gleichen; es erscheint daher bei dem
Umstand, dafs wohl zunächst keine Hoffnung besteht, den
Widerßpruch in der Rechtsprechung der höchsten Instanzen
im Reich und in Preufsen gelöst zu sehen, nicht uninter-
essant, darauf hinzuweisen, dafs der Standpunkt des RG.
auch von den höchsten Instanzen einer Reihe von
Bundesstaaten geteilt wird. So hat der Badische Ver-
waltungsgerichtshof im Urt. v. 13. Mai 1891 und das
Sächsische Finanzministerium in der Verf. vom 21. Sept.
1883 das Agio für nicht steuerbar erklärt und der Hes-
sische Verwaltungsgerichtshof sich in zwei Urt. v. 30. April
1898 (vgl. „Entsch. höherer Gerichtshöfe in hess. Steuer-
sachen“, von Dr. Becker S. 104) und vom 29. Okt.
1898 dieser Auffassung angeschlossen. Insbesondere das
Urt. v. 30. April 1898 befafst sich auch mit der Recht-

sprechung des Preufs. OVG., kommt aber nach sorgfältiger
Würdigung seiner Gründe zur Verneinung der Frage der
Steuerpflicht. Es wird nachgewiesen, dafs der Agiogewinn
nicht als Einkommen, sondern als Vermögens-
zuwachs, als Vermehrung des Geschäftskapitals,
der Einkommensquelle angesehen werden müsse.
Das Urteil geht auch auf die vom Preufs. OVG. bejahte
Frage ein, ob nicht etwa die von dem hessischen wie von
dem preufs. Eink.-Steuerges. bei Aktiengesellschaften für
steuerbar erklärten „Ueberschüsse“ von dem Ein-
kommen i. S. der sonstigen Bestimmungen des Gesetzes
begrifflich durchaus verschieden sind, bezw. ob nicht durch
Sondervorschriften bezüglich der Besteuerung der Aktien-
gesellschaften ein besonderer Einkommensbegriff für diese,
abweichend von dem Begriff des Einkommens physischer
Personen, geschaffen werden sollte. Diese Frage wird
verneint, und zwar unter der Begründung, dafs das Eink.-
Steuerges. es klar und deutlich hätte aussprechen müssen,
wenn es für die Aktiengesellschaften einen besonderen
Einkommensbegriff hätte schaffen wollen. — Mit diesen
Urteilen war für Hessen unter der Herrschaft des Eink.-
Steuerges. v. 25. Juni 1895 die Steuerpflicht des
Emissions-Agios, die früher von den Steuerveranlagungs-
behörden im entgegengesetzten Sinne behandelt worden
war, endgültig zu Gunsten der Aktiengesellschaften ver-
neint. Aus Anlafs der Reform des gesamten Staatssteuer-
wesens im Jahre 1899 wurde das Ges. v. 25. Juni 1895
einer Durchsicht unterzogen und in der den Kammern
zugegangenen Novelle zum Eink.-Steuerges. von der Re-
gierung eine Aenderung des die Besteuerung der Aktien-
gesellschaften u. s. w. regelnden Art. 4 des Ges. vor-
geschlagen. Beide Kammern nahmen den Art. aber nur
mit einer in der 1. Kammer angeregten Aenderung an,
die nach dem ausgesprochenen Willen des Antragstellers
die Absicht verfolgte, gerade die Steuerfreiheit des Agios
gesetzlich festzulegen. In dieser Fassung ist die Be-
stimmung auch in den Art. 2 Abs. 2 des Eink.-Steuerges.
v. 12. August 1899 übergegangen. Damit ist für Hessen
die Frage durch einen Akt der Gesetzgebung endgültig zu
Gunsten der Steuerfreiheit des Agios entschieden. Viel-
leicht würde es sich auch für Preufsen empfehlen, den
Zwiespalt in der Rechtsprechung der höchsten Gerichte
auf dem gleichen Wege in der einen oder anderen Weise
wenigstens für die Zukunft unmöglich zu machen.
Oberfinanzrat Dr. Becker, Darmstadt.

Anstellung eines Gerichtsassessors bei der
Aerztekammer« Der Ausschufs der preufsischen Aerzte-
kammern soll nach einer Zeitungs-Mitteilung beschlossen
haben, dem Ehrengerichtshof einen Gerichtsassessor als
juristische Hülfskraft anzugliedern. Dieser soll die Sitzungs-
protokolle führen, die Relationen vorbereiten und die Urteils-
gründe formulieren, der Abgabe eines Rechtsgutachtens hat
er sich aber zu enthalten.
Hoffentlich findet sich zu dieser „juristischen Hülfs-
arbeit“ kein Assessor; denn zum Protokollführen (!) ge-
nügt am Ende auch für den ärztlichen Ehrengerichtshof
ein Sekretär, und das Entwerfen von Urteilsgründen nach
Anweisung des Berichterstatters ist zwar für einen Refe-
rendar sehr instruktiv, aber wohl kaum passend für einen
Assessor, der sich vorher jedes eigenen Urteils hübsch
enthalten soll! Braucht man einen Juristen, so lasse man
ihn seine Kraft voll verwenden, d. h. sein Rechtsgutachten
über den Fall abgeben und dem Kollegium vorlegen, ver-
schone ihn aber mit Schreiberdiensten. Dann ist seine
Stellung eine würdige, sonst nicht. — Der Vertreter des
Ministeriums, Geh. Ob.-Reg.-R. Förster, scheint nach der

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