19.2.
Juristische Rundschau
Von Staub
178
Deutsche Juristen-Zeitung.
VI. Jahrg.
Nach § 867 Abs. 2 CPO. ist der Betrag der
Forderung, falls mehrere Grundstücke des Schuldners
mit der Sicherungshypothek belastet werden sollen, auf
die einzelnen Grundstücke zu verteilen. Die Gröfse der
Teile bestimmt der Gläubiger. Auch hier wird man
regelmäßig Teile von über 300 M. bestimmen
müssen (and. Ans. LG. Hanau 11. Juli 1900, Recht
S. 401). Ist dies nicht möglich, z. B. eine Forde--
rung von 400 M. soll auf zwei Grundstücke eines
Schuldners — eins bietet keine genügende Sicher-
heit — eingetragen werden, so wird man auch Be-
träge unter 300 M. für zulässig erklären müssen.
Unter einem „Grundstück" ist die im Grund-
buch besonders aufgeführte Katasterparzelle zu ver-
stehen. Sind mehrere Grundstücke auf demselben
Grundbuchblatt zu einem Komplex z. B. Rittergut A.
zusammengezogen, so gelten sie als ein Grundstück
(Bayr. Ob. Landesg. 19. April 1900, Recht S. 401).
Ist der Schuldner nur Miteigentümer, so darf nur
auf seinem Anteil eingetragen werden. Gehören die
mehreren Grundstücke verschiedenen Eigentümern,
die als Gesamtschuldner hatten, so ist eine Ver-
teilung der Forderung nicht nötig, es kann vielmehr
die Eintragung auf die Grundstücke des einen
Schuldners zur Gesamthaft mit denen des anderen
erfolgen (LG. Köln 29. Mai 1900, Recht 1901 S. 50).
Die Beschränkungen des § 866 Abs. 3 CPO.
greifen indes nur Platz bei der Zwangshyp-othek
im engsten Sinne, d. h. bei der Vollstreckung wegen
einer Geldforderung unmittelbar in ein Grundstück;
also nicht
a) beim Vollzüge einer Verurteilung zur Ein-
räumung einer Bauhandwerkerhypothek (§ 648
BGB.) und folgeweise auch bei der Vormerkung
einer solchen;
b) beim Vollzug einer Verurteilung zur Sicher-
stellung gemäfs Art. 29 Wechselordnung durch
Hypothekbestellung (§ 232 BGB.);
c) bei Pfändung des Anspruches gegen
einen Dritten auf die Auflassung eines Grund-
stücks an den Schuldner (§ 848 CPO ), in welchem
Falle die Hypothek des Gläubigers kraft Gesetzes
mit der erfolgten Auflassung entsteht. — Vgl. LG.
Dresden 27. März 1900 u. KG. 24. Juli 1900; Centralbl.
f. freiw. Gerichtsbarkeit 1900 S. 314. —
II. Bezüglich der Arresthypothek hat das
Kammergericht durch Beschluß vom 2. April 1900
(Johow-Ring I, 115) ausgesprochen, daß dieselbe
nur für eine den Betrag von 300 M. übersteigende
Forderung eingetragen werden könne.
Zu einer ausreichenden Widerlegung dieser
nicht zutreffenden Ansicht fehlt hier der nötige
Raum. Es mag hier nur darauf aufmerksam ge-
macht werden, daß § 932 CPO., welcher sedes
materiae für den Arrest1) ist, einen ausdrücklichen
Hinweis auf den erst durch die Reichstagskommission
in letzter Stunde in das Gesetz hineingebrachten
§ 866 Abs. 3 CPO. nicht enthält. Wollte man der
Ansicht des Kammergerichts beitreten, so würden,
l) Dafs dieser ein Schuldtitel im Sinne des § 866 CPO. sei,
kann deshalb nicht zugegeben werden.
da Zwangsvollstreckung und Zwangsverwaltung un-
zulässig sind, Arrestforderungen, welche 300 M.
nicht übersteigen, in Grundstücke überhaupt- nicht
vollzogen werden können. Dafs der Gesetzgeber
gerade den kleinen Gläubiger in dieser Weise
rechtlos habe machen wollen, kann nicht angenommen
werden. Aus einem Vollstreckungsbefehl und einem
anderen Schuldtitel unter 300 M. kann, wenn auch
keine Zwangseintragung, so doch wenigstens Zwangs-
versteigerung betrieben werden.
Hoffentlich findet sich bald Gelegenheit, dafs
das Reichsgericht zu der Frage Stellung nehmen
muß.
Juristische Rundschau.
Im Abgeordnetenhause wurde geklagt über die
Höhe der preußischen Notariatsgebühren. Da-
bei fiel auch die Anregung, ob nicht die Notare zu
verpflichten wären, einen Teil ihrer Gebühren an
den Staat abzuliefern. Dagegen ist aber einzuwenden,
daß, wenn es richtig ist, dafs die Gebühren zu hoch
sind, doch nur eine Ermäßigung in Frage kommen
könnte, damit das Publikum, welches die Höhe der
Gebühren angeblich als zu drückend empfindet, ent-
sprechend erleichtert wird. Aber unmöglich kann
man, wenn die Gebühren zu hoch sind, es bei
ihrer Höhe belassen und den Staat an diesen hohen
drückenden Gebühren noch teilnehmen lassen.
Im Herrenhause wurde ein großes Wort in
dem Kampf um die Gleichberechtigung der
Gymnasien und Realschulen gesprochen. Der
Redner faßte aber die Sache an dem entgegen-
gesetzten Ende an, als dies bisher geschehen war;
er warf den Juristen samt und sonders vor, dafs sie
weitabgewendet und praktisch unerfahren seien, in
einem Maße, das sie unbefähigt erscheinen ließe,
ihren Aufgaben gerecht zu werden. Wenn das
richtig wäre, so wäre die Realschulbildung für die
Ausbildung der Juristen nicht nur gleichwertig mit
der Gymnasialbildung, sondern die erstere wäre der
letzteren für diesen Zweck sogar bei weitem vor-
zuziehen, ja, die Gymnasialbildung müßte für diesen
Zweck sogar verpönt werden. Es ist klar, dafs
damit weit über das Ziel hinausgeschossen wird.
Ueber richterliche Urteile wird geklagt werden, so-
lange richterliche Urteile gefällt werden. Ein Urteil
kann es nicht allen recht machen, und das Schelten
auf das Urteilen ist alte deutsche Gewohnheit. Ueber
Weltabgewendetheit der Richter, über die Fähig-
keit, sich mit praktischen Dingen zu befassen, konnte
man vor Jahrzehnten wohl mit Recht klagen. Aber
unverkennbar ist der Fortschritt, der in dieser Hin-
sicht sich seit langem vollzieht.
In der Frage, ob ein Verteidiger, der von
der Schuld des Angeklagten überzeugt ist,
für nicht schuldig plädieren darf, hat Professor Dr.
v. Liszt und mit ihm die Mehrzahl der Redner in
dem Berliner Anwaltsverein Stellung genommen,
und zwar in bejahendem Sinne. Von einem
Redner, der den Gewissenspunkt stark in den
Vordergrund drängte, wurde betont, dafs vor mehreren
Jahren ein Berliner Schwurgerichtsvorsitzender die
Geschworenen darauf aufmerksam machte, sie dürften
auf die Rede des Verteidigers keinen besonderen
Wert legen, da dieser ja auch dann, wenn er von
der Schuld des Angeklagten überzeugt sei, auf