Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

7.7.2. Deutsche Nationalbibliothek und Juristenstand

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 1.

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es; es läßt (a. a. O., vgl. auch JW. 1905 S. 315) eine
Klage auf Feststellung zu: 1. daß der Ausschließungs-
beschluß zu Unrecht erlassen und rechtsungültig sei; 2. daß
die Mitgliedschaft bereits in dem Zeitpunkt des erklärten
Austritts erloschen sei. Mir ist mehr als zweifelhaft, ob
eine Feststellungsklage solchen Inhalts nach § 256 ZPO.
möglich ist. Zunächst, was das erste Begehren angeht:
welches ist das „Rechtsverhältnis“, dessen Bestehen oder
Nichtbestehen hiernach festgestellt werden soll? Die
Gültigkeit eines Vereinsbeschlusses ist kein Rechtsverhält-
nis, wenn sie auch für die Gestaltung von Rechtsverhält-
nissen bedeutsam sein kann. In dem Feststellungsbegehren
hätte das wirklich in Betracht kommende Rechtsverhältnis
bezeichnet werden müssen, und es zeigt sich hier
wieder, wie bedenklich die weitverbreitete Ungenauigkeit
in der Formulierung der Feststellungsbegehren ist. Das
einzige Rechtsverhältnis, das hier in Frage kommen kann,
ist nämlich offenbar die Mitgliedschaft. Sobald man dies
aber erkennt, sieht man auch, daß eine Klage auf Fest-
stellung des Nichtbestehens dieses Rechtsverhältnisses sinn-
los wäre und auch gar nicht beabsichtigt ist, da ja über
dies Nichtbestehen beide Parteien vollkommen einig sind.
Bleibt also das zweite Begehren, das, genauer präzisiert,
die Feststellung verlangt, daß die Mitgliedschaft zur Zeit
des Exklusionsbeschlusses nicht mehr bestanden habe.
Nun ist es bekanntlich bestritten, ob Klagen auf Fest-
stellung des Bestandenhabens oder Nichtbestandenhabens
von Rechtsverhältnissen nach § 256 überhaupt zulässig
sind J); aber auch diejenigen, die sich — m. E. nicht mit
Recht — für ihre Zulässigkeit aussprechen, beschränken
diese Zulässigkeit doch auf den Fall, daß der Rechtszustand
der Vergangenheit für die ' Gestaltung gegenwärtiger
Rechtsverhältnisse noch von Bedeutung ist; der eigent-
liche Gegenstand des Streites ist dann freilich eben diese
gegenwärtige Rechtslage. So könnte z. B. von dem
Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft die gegen-
wärtige Existenz oder Nichtexistenz eines Anspruchs auf
Nachzahlung von Mitgliedsbeiträgen abhängen. Aber aus den
in den RGE. mitgeteilten Tatbeständen ist ein Streitpunkt von
rechtlicher Bedeutung für die Gegenwart nirgends er-
sichtlich. Der Kläger verlangt hier tatsächlich nichts weiter als
die gerichtliche Aufklärung einer der Vergangenheit an-
gehörigen Rechtslage, genau so, als ob zwei Parteien ohne
jeden praktisch-rechtlichen Hintergrund miteinander darüber
prozessieren wollten, ob ihre beiderseitigen Ahnen vor
hundert Jahren in einem Obligationsverhältnis zueinander
gestanden hätten. Das ist offenbar unzulässig; dieser ganze
Streit ist ein Streit um nichts.
Aber die Feststellungsklage entbehrt hier nicht nur
eines möglichen Zieles; es fehlt auch ganz und gar an
dem nach dem Gesetz erforderlichen Feststellungs Interesse.
Jedermann weiß ja, daß die Bekanntgabe eines solchen
Exklusionsbeschlusses oft von den schwersten sozialen
Folgen für den Betroffenen begleitet ist, und eben daran
denkt des RG., wenn es2) das Vorhandensein eines Fest-
stellungsinteresses bejaht. Aber werden denn die für den
Kläger so erwachsenden Nachteile und Gefahren irgendwie
dadurch beseitigt oder gemindert, daß ein Gericht den
Exklusionsbeschluß für nichtig erklärt? Wenn ein Korps,
wie in dem vom RG. entschiedenen Fall, ein bereits aus-
getretenes Mitglied „wegen wissentlich falscher Abgabe
seines Ehrenworts mit der Strafe der perpetuellen Dimission
unter Absprechung der Satisfaktionsfahigkeit“ belegt hat,
da wird es gewiß auf die alten Herren, und wer sonst
von dem Spruch erfahren hat oder noch erfährt, einen
Vgl. etwa Hellwig, Lehrb. des ZPR. I S. 383. Skonietzki
u. Gelpcke ZPO. I S. 602. Stein zu ZPO. § 256 11,4.
») a. a. O. S. 137, unter Berufung auf JW. 1905 S. 315.

gewaltigen Eindruck machen, daß ein Gericht feierlich ver-
kündet, die Dimission sei nichtig, weil der Dimittierte vorher
ausgetreten gewesen sei! Die Bedeutung des Exklusions-
beschlusses liegt in diesem wie in allen gleichgelagerten
Fällen lediglich in der Konstatierung der ehr widrigen
Handlung durch eine Instanz, die in weiten Kieisen tat-
sächliche Autorität genießt; würde sich der Beschluß einfach
auf diese Konstatierung beschränken — etwa mit dem
Hinzufügen, der Schuldige habe, weil ausgetreten, nicht
mehr exkludiert werden können —, so würde der Effekt
genau der gleiche bleiben. Die Feststellungsklage erweist
sich auch von hier aus als ein Schlag ins Wasser. Die
Nachteile, die der Exklusionsbeschluß mit sich bringt,
liegen eben gar nicht auf dem Rechtsgebiet und hängen
darum auch nicht von seiner Rechtsgültigkeit ab.
Muß also der Ausgetretene den Beschluß, der ihn auf
das schwerste schädigen kann und vielleicht jeder wirklichen
Begründung entbehrt, wehrlos hinnehmen? Keineswegs;
aber er hat dagegen nur die rechtlichen Waffen, die jeder
hat, der durch ehrenkränkende Behauptungen oder ihre
Verbreitung verächtlich gemacht, in der öffentlichen Meinung
herabgewürdigt oder sonst geschädigt wird: die Vor-
schriften des StrGB. über Beleidigung, insbesondere über
die üble Nachrede, und die des BGB. über den Schaden-
ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in §§ 823 II und
824. Daß auch diese Waffen sich mitunter stumpf er-
weisen, ist bekannt; aber andere stellt unser Recht nicht
zur Verfügung, und erheblich schärfer als die Feststellungs-
klage schneiden sie doch immer. Gerade hier dürfte
übrigens die Streitfrage besondere Bedeutung gewinnen,
ob mit der Zivilklage aus § 823 II nicht bloß Unterlassung
weiterer Verbreitung der ehrenkränkenden Behauptung,
sondern auch Wiederherstellung der Ehre durch öffentliche
Zurücknahme dieser Behauptung verlangt werden kann.
Geh. Rat, Professor Dr. O. Lenel, Freiburg i. Br.

Deutsche Nationalbibliothek und Juristen-
stand. Adolf Harnack, der Generaldirektor der Königl.
Bibliothek in Berlin, ist in einer vor kurzem erschienenen,
viel besprochenen Schrift „Die Benutzung der Königl.
Bibliothek und die Deutsche Nationalbibliothek“ (Berlin
1912, Springer) mit Nachdruck für die Ausgestaltung der
Berliner Königl. Bibliothek zu einer Deutschen National-
bibliothek eingetreten. Er wendet sich gegen den Plan,
eine solche Nationalbibliothek in Leipzig zu begründen,
und bespricht die an deren Stelle vom dortigen Buchhändler-
Börsenverein ins Leben gerufene „Deutsche Bücherei“, der
man zwar als einer neuen, großangelegten Büchersammlung
der gesamten vom 1. Januar 1913 ab in Deutschland er-
scheinenden deutschen und fremdsprachigen Literatur und
der deutschen Literatur des Auslandes gewiß Sympathien
entgegenbringen könne, die aber doch gegenüber dem
Gedanken einer zukünftigen Deutschen Nationalbibliothek
eine bedauerliche Zersplitterung bedeute. Diese neue
Bibliothek in Leipzig ist inzwischen durch staatliche und
städtische Mittel fundiert worden; sie stellt in der Tat
nichts anderes als ein Konkurrenzunternehmen gegen eine
deutsche Nationalbibliothek in Berlin dar; zum mindesten
wird die von Harnack befürchtete Zersplitterung eintreten.
Harnack führt aus, daß nur die Berliner Königl. Bibliothek ge-
eignet sei, den Gedanken zu verwirklichen, weil sie in ver-
schiedenen Beziehungen schon jetzt auf dem Wege sei, die
Bedeutung einer Deutschen Nationalbibliothek zu erlangen.
Er weist in dieserBeziehung auf den inhaltlichen und räumlichen
Umfang derselben, das zahlreiche und auch großen Aufgaben
hinreichend gewachsene Beamtenpersonal und auf die verschie-
denen Institutionen dieser Bibliothek hin, die, wiederumfang-

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