Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

7.6. Neue Gesetze, Verordnungen und dergl. des Reichs und der Einzelstaaten

7.7. Sprechsaal

7.7.1. Kann ein ausgetretenes Vereinsmitglied seine nachherige Ausschließung als nichtig bekämpfen?

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 1.

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audere Gerichte soll nicht schon aus dem Grunde der
großen Entfernung beschlossen, die Entfernung soll viel-
mehr wesentlich als eine Kostenfrage betrachtet werden.
Der Vortragende führte sodann manche Mängel in
der Beweisaufnahme auf Mängel in der Ausbildung zurück,
da bisher wenig oder nichts geschehe, um die in die ge-
richtliche Tätigkeit eintretenden Referendare in der hohen
Kunst der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen
auszubilden. Hier spielt die Persönlichkeit des Richters
die größte Rolle. Immerhin gehört zu den hierbei wesent-
lich fördernden Elementen das Frage- -und Aufklärungs-
recht der Parteien. Springer spricht sich gegen die Auf-
lösung der Zeugenvernehmung in ein Kreuzverhör, nach
englischem Muster aus, verlangt aber, daß den Fragen
der Parteien grundsätzlich der weiteste Spielraum gegeben
wird, soweit es sich um Tatsachen, selbst nur lose oder
entfernt mit dem Beweispunkt zusammenhängende, handelt.
Mit der Abneigung gegenüber Parteifragen ist aufzu-
räumen: „die Wahrheit zu ermitteln kann niemals schäd-
lich sein“.
Die Behandlung von Beweismaterial, das sich in der
Hand von Zeugen befindet, wurde gestreift, ebenso die
Niederschrift der Erinnerung von Zeugen, i auch die an-
geregte Einholung schriftlicher Aussagen von Zeugen in
einfachen Fällen auf Parteiantrag oder als einstweiliges
Beweismittel. Zum Schluß trat Springer entschieden für
Abschaffung des formulierten Parteieides ein, der im
Widerspruch zur freien Be weis Würdigung des Gerichts
stehe, und für seinen Ersatz durch die eventuell eidliche
Vernehmung der Partei, in der er eine Fortbildung des
richterlichen Eides erblickt. Die Parteivemehmung ist im
Gegensätze zur Ausübung des richterlichen Fragerechts ein
Beweismittel; sie kann vom Gericht auf Antrag oder von
Amts wegen nur beschlossen werden, wenn das Ergebnis
der Verhandlungen und eine etwaige Beweisaufnahme nicht
ausreichend waren, um die Ueberzeugung des Gerichts von
der Wahrheit oder Unwahrheit der zu ermittelnden Tat-
sachen zu begründen.
Da Springer damit rechnet, daß die kommissarische
Beweisaufnahme durch ein Mitglied des Kollegiums auch
künftig vermöge des starken Druckes der Verhältnisse in
gewissem Umfange ihre Rolle spielen wird, so erörterte
er auch die Frage, ob nicht hier die beseitigte Unmittel-
barkeit auf umgekehrtem Wege wiederhergestellt werden
könne, indem man in geeigneten Fällen dem delegierten
Beweisrichter auch die Entscheidung in der Sache über-
trage. Ebenso verdient nach Ansicht des Vortragenden
geprüft zu werden, ob im vorbereitenden Verfahren in
Rechnungs- und Auseinandersetzungssachen dem beauf-
tragten Richter nicht durch Beschluß die Befugnis ver-
liehen werden könne, nach der ihm obliegenden] Fest-
stellung der Streitpunkte die Beweiserhebung selbst zu
beschließen und durchzuführen.
Die Vorschläge des Vortragenden sollen im wesent-
lichen zunächst nur Anregungen geben, sich mit den ein-
schlägigen Problemen näher zu befassen, deren Lösung nur
vom Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit aus, nicht irgend-
welchen Prinzipien zu Liebe, unternommen werden dürfe.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.
Die in /7-Klammern in Kursivschrift beigefügten Daten bezeichnen
den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetze usw.
Deutsches Reich: Vereinbarung v. 9. 11. 1912
zw. d. D. R. u. d. Niederlanden ü. d. zeitweilige zoll-
freie Zulassung d. v. Handlungsreisenden mit-
geführt. Muster (R.-G.-Bl. S. 541). — Kais. Vo. v. 15. 11.
1912, bt. d. Errichtung eines Schiedsgerichts f. d.

Angestelltenversicherung (S. 551). — Rkzlr.-Bk. v.
23. 11. 1912, bt. d. Beitritt d. Kgr. d. Niederlande
z. rev. Berner intern. Urheberrechts Übereinkunft v.
13. 11. 1908 [1. 11. 1912] (S. 551). - Rkzlr.-Bk. v. 28. 11.
1912, bt. d. Ausführ, d Ges. ü. d. Orden d. Gesell-
schaft Jesu (S. 553). — Kais. Vo. v. 25. 11. 1912, bt.
d. Beaufsichtigung bayer. privater Versiche-
rungsunternehmungen /1. 1. 1913] (S. 561).
Preußen: Allg. Vf. d. JM. v. 30. 11. 1912, bt. d.
Bekanntmachungen in Strafsachen durch d.
Oeffentl. Anzeiger d. Regier.-Amtsblätter [1. 1.
1913] (J.-M.-Bl. S. 388).
Bayern: Kgl. Vo. v. 25. 11. 1912, d. k. Bayer.
Staatsanzeiger bt. [1. 1. 1913] (G.- u. Vo.-Bl. S. 1215).
— Kgl. Vo. v. 28. 11. 1912 ü. d. Obermedizinal-
ausschuß u. d. Kreismedizinalausschüsse (S. 1219).
M.-Bk. v. 30. 11. 1912, d. Errichtung d. Oberver-
sicherungsämter bt. [1. 1. 1913] (S. 1229). — M.-Bk.
v. 30. 11. 1912, d. Errichtung d. Versicherungs-
ämter bt. [1. 1. 1913] (S. 1232). — M.-Bk. v. 30. 11.
1912, d. landwirtschaftl. Berufsgenossenschaften
bt. fl. 1. 1913] (S. 1235). - Kgl. Vo. v. 2. 12. 1912, d.
Vollzug d. Beamtengesetzes bt. (S. 1237).
Baden: M.-V. v. 29. 11. 1912, d. Abänder, d.
Vollzugs Verordnung z. Gewerbeordnung bt. (G.-
u. Vo.-Bl. S. 449).
Oldenburg: Vo. v. 19. 11. 1912, bt. Aender. d.
Art. 28 d. Hausgesetzes f. d. Ghz. Haus v. 1. 9. 1872
(Ges.-Bl. S. 281). — Birkenfeld: Reg.-Bk. v. 19.11.1912,
bt. Beaufsichtigung d. öffentl. Wasserleitungen
(Ges.-Bl. f. Birkenfeld S. 513).
Braunschweig: Ges. v. 22. 11. 1912 z. Ausführ. d.
landwirtschaftl. Unfallversicherung (III. Buch
2. T. d. RVO.) [I. 1. 1913] (G.- u. Vo.-S. S. 409).
Sachsen-Meiningen: M.-Ausschr. v. 12. 6. 1912, bt.
d. Erlaß einer neuen Unterweisung f. d. Standes-
beamten (S. d. Ausschr. Nr. 63).
Reuß ä. L.: Reg.-Bk. v. 2. 12. 1912, bt. d. gemein-
same Oberversicherungsamt u. d. Versicherungs-
ämter [3. 12. 1912] (Ges.-S. S. 223).
Schaumburg-Lippe: M.-Vo. v. 25. 11. 1912, bt. d.
Gebühren f. d. Schlachtvieh- u. Fleischbeschau
[1.1. 1913] (L.-Vo. S. 352). - M.-Erl. v. 29. 11.1912, bt. d.
Nacheichungs- u. Berichtigungsgebühren (S. 357).
Lübeck: Bk. v. 9.11. 1912, bt. d. Prüfungsordnung
f. d. zweite jurist. Prüfung (Sml. d. Ges. Nr. 101).
Hamburg: Ges. v. 15. 11, 1912 z. Ergänz, d. Ges.,
bt. Ausführ. d. BGB., v. 14. 7. 1899 (Amtsbl. S. 995).
— Prüfungsordnung f. d. Gerichtsdiener dienst v.
28. 11. 1912 (S. 1015).
Elsaß-Lothringen: Ausführungsbestimmungen z.
Stempelgesetz. V. 27.11.1912 (Z.-u.Bez.-Amtsbl. S.419).

Spreehsaal.
Kann ein ausgetretenes Vereinsmitglied seine
nachherige Ausschließung als nichtig bekämpfen?
Das Reichsgericht hat sich wiederholt (zuletzt RGZ. Bd. 78
Nr. 28) mit der Frage beschäftigt, ob Vereinsmitglieder,
die bereits rechtswirksam ihren Austritt erklärt haben,
nachträglich noch durch Beschluß der Mitgliederversamm-
lung aus dem Verein ausgeschlossen werden können. Das
RG. hält mit Recht einen solchen Beschluß für nichtig; in
der Tat liegt ja auf der Hand, daß eine Mitgliedschaft,
die nicht mehr vorhanden ist, auch nicht mehr entzogen
werden kann. Derartige Beschlüsse ergehen auch gar
nicht, um dem Ausgetretenen die Mitgliedschaft zu ent-
ziehen, die er längst aufgegeben hat, sondern um ihn
nachträglich noch mit dem Makel zu behaften, den die
Ausschließung mit sich bringt. Mögen nun aber auch
solche Beschlüsse nichtig sein, so ist es doch eine ganz
andere Frage, ob es einen prozessualen Weg für die
Geltendmachung dieser Nichtigkeit gibt. Das RG. bejaht

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