Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

25.7. Spruch-Beilage

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Spruch - Beilage zur djz. MMiuffiimj
(Nachdruck der Entscheidungen wird nur mit genauer und unverkürzter Quellenangabe gestattet.)

Reichsgericht.
1. Zivilsachen.
Mitgeteilt v. Justizrat Kurlbaum, Rechtsanwalt b. RG., Leipzig.
Schadensansprüche des Mieters nach berechtigter
fristloser Kündigung wegen Nichtgewährung ordnungs-
mäßiger Mieträume; Verpflichtung zu eigener Ab-
wendung des Schadens und zum rechtzeitigen Ausspruch
der Kündigung. §§ 254, 538, 542 BGB. Die Klägerin
hatte vom Bekl. Räume zur Metall- und Zinkschmelzerei
für die Zeit bis 31. März 1912 gemietet. Im Mietverträge
hatte der Bekl. sich verpflichtet, den Schmelzraum mit
einem Ventilationsrohr zu versehen. Da dies nicht ge-
schah und der Bekl. sich geweigert hatte, die von der Kl.
verlangte Ventilation zu bewerkstelligen, sich vielmehr
nur zur Anlage etwa erforderlicher Einrichtungen auf Kosten
der Kl. bereit erklärt hatte, wurde ihm am 25. Aug. 1908
eine Frist von zwei Wochen zur ordnungsmäßigen Her-
stellung der Mieträume gesetzt und ihm dabei, gemäß
§ 542BGB., Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungs-
frist angedroht, diese Kündigung aber erst am 10. Jan. 1910
ausgesprochen, weil die Kl. ihre Berechtigung dazu erst
in einem inzwischen angestellten, schließlich zu ihren
Gunsten entschiedenen Rechtsstreit festgestellt wissen
wollte; der Auszug wurde erst 1911 bewerkstelligt. Kl.
fordert jetzt Ersatz des Schadens, der ihr dadurch ent-
standen ist, daß sie die Mieträume nicht vertragsmäßig
habe benutzen können. Das BerGer. hat ihr nur einen
Teilbetrag von 300 M. zugesprochen, welcher Betrag den
Kosten eines ordnungsmäßigen Ventilationsrohrs entspreche,
im übrigen die Klage abgewiesen, weil die Kl. durch
eigene Herstellung der vom Bekl. verweigerten Anlage
weiteren Schaden hätte verhüten können, ihn durch Unter-
lassung dieser Maßregel also selbst verschuldet und nach
§ 254 BGB. ihn auch selbst zu tragen habe. Das RG.
hat aufgehoben. Das Ziel der Kl. sei die Aufhebung des
Mietverhältnisses gewesen. Da dies berechtigt, sei sie
nicht verpflichtet gewesen, mit Rücksicht auf die beab-
sichtigten Schadensansprüche für die Zeit der tatsäch-
lichen Weiterbenutzung Veranstaltungen zur Minderung
des Schadens zu treffen. Das Recht des Mieters, nach
§ 542 BGB. das Mietverhältnis durch einseitige Er-
klärung für die Zukunft aufzuheben, beruhe auf der Nicht-
erfüllung der Vorleistungspflicht des Vermieters. Hätte
das Gesetz dem Mieter die Verpflichtung auferlegen wollen,
seinerseits den Mangel zu beheben, auf dem sein Recht
beruhe, so würde er damit gezwungen, selbst seinem Recht,
wenigstens für die Zukunft, den Boden zu entziehen.
Dagegen sei der Mieter verpflichtet, sich in angemessener,
kurzer Frist darüber schlüssig zu machen, ob er von dem
Kündigungsrechte Gebrauch machen wolle. Verzögere er
die Kündigung, so könne er Schadensansprüche nach
§ 538 BGB. nur insoweit erheben, als ihm solche auch bei
rechtzeitiger Erklärung der Kündigung für die ihm bis
dahin erwachsenen Schäden entstanden wären. Durch den
Wunsch, zunächst eine gerichtliche Entscheidung zu er-
langen, werde der auf eigene Gefahr kündigende Mieter
nicht entschuldigt. Nach diesen Grundsätzen sei zu prüfen
gewesen, wann die Kl. imstande gewesen wäre, die Kün-
digung wirklich auszusprechen, wobei in Betracht zu ziehen
sei, wann ihr die Beschaffung anderer Mieträume möglich
und wie sie die Sicherheit zu leisten imstande gewesen
wäre, die der Vermieter für Aufgabe des Vermieterpfand-
rechts fordern durfte. (Urt. III. 18/13 v. 6. Juni 1913.)
Anwendbarkeit des § 222 Abs. 4 HGB. auf den
Verkauf kleiner Namensaktien. Die klagende Bank ver-
kaufte mit Einwilligung des Bekl. aus dessen Effektendepot
an den Rentner P. eine Anzahl Namensaktien über je 300 M.
Die im § 222 Abs. 4 HGB. für die Uebertragung solcher
Aktien vorgeschriebenen Erfordernisse der Zustimmung
des Aufsichtsrats und der Generalversammlung sowie der
gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung der Ueber-

tragungserklärung wurden weder bei dem Verkauf an P.
noch bei dem Geschäft zwischen den Parteien beobachtet.
Nach der Lieferung an P. geriet die Aktiengesellschaft in
Konkurs, die Aktien wurden wertlos und P. erstritt Ver-
urteilung des Kl. zur Rückzahlung des Kaufpreises, weil
nicht nur das dingliche Uebertragungsgeschäft, sondern
auch der Kaufvertrag wegen Mangels der Erfordernisse
des § 222 Abs. 4 HGB. unwirksam sei. Mit dem auf den
gleichen Grund gestützten Anspruch gegen den Bekl. ist
der Kl. auch vom RG. abgewiesen. Beide Geschäfte, die
Verfügung und der Verpflichtungsvertrag, würden in der
neuen Gesetzessprache scharf unterschieden. Falls der
Verkauf von Kleinaktien an dieselben Bedingungen ge-
knüpft werden solle wie die Abtretung, so wäre dies ebenso
bestimmt worden, wie in § 15 Abs. 3, 4 GmbHG. mit
Bezug auf Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen
einer GmbH. Eine solche Bestimmung sei hier, wo es sich
noch dazu um die Zustimmung der Gesellschaftsorgane ge-
handelthabe, kaum empfehlenswert gewesen. Bei Auseinander-
fall von Verkauf und Abtretung hätten dann Aufsichtsrat und
Generalversammlung zweimal ihre Zustimmung zu erteilen
gehabt. Ebenso sei die Vorschrift des § 105 preuß. AllgBerg-
Ges. ausgelegt, in der für die „Uebertragung“ von Kuxen
schriftliche Form vorgeschrieben sei. Die Uebertragung
der Aktien an die Kl. könne.noch jetzt, auch nach Eröffnung
des Konkurses, erfolgen. (Urt. II. 250/13 v. 26. Juni 1913.)
Wechsel in der Person des Kommanditisten. Fort-
geltung des früheren Gesellschaftsvertrags. § 157 BGB.
Seit 1896 war der Beklagte persönlich haftender Ge-
sellschafter einer Kommanditgesellschaft der Firma Hein-
rich J. Ludwig L's. Nachf., als deren Kommanditist mit
einer Einlage von 150 000 M. der Kaufmann Karl E. ins
Handelsregister eingetragen stand. Karl E. war Inhaber
eines Geschäfts mit der Firma S. E. & Co., und in einem
Vertrage, der der Eintragung der Kommanditgesellschaft
vorausging, war vereinbart worden, daß die Kommandit-
gesellschaft enden solle, sobald Karl E. nicht mehr In-
haber oder Mitinhaber der Firma S. E. & Co. sein werde. Im
Jahre 1899 wurde im Handelsregister das Ausscheiden von
Karl E. als Kommanditist, die Aenderung der Firma Hein-
rich J. Ludwig L's. Nachf. in Heinrich J. und der Eintritt
der offenen Handelsgesellschaft S. E. & Co. als Komman-
ditistin mit einer Einlage von 500 000 M. eingetragen.
In diese Firma war inzwischen der Bruder von Karl E.
als Teilhaber eingetreten, der Abschluß eines besonderen
schriftlichen Vertrags ging dieser Aenderung nicht voraus.
Am 19. Mai 1911 starb Karl E., am 9. Sept. 1911 meldete
darauf der Bekl. zur Eintragung ins Handelsregister an,
daß die Kommanditgesellschaft aufgelöst sei. Auf An-
erkennung, daß die Gesellschaft noch bis Ende 1912 zu
Recht bestehe, klagt nun die offene Handelsgesellschaft
S. E. & Co. Sie ist vom BerufungsGer. mit ihrer Klage
abgewiesen, das RG. hat aufgehoben. Zu Unrecht habe
das BerufungsGer. angenommen, daß die Kl. den Bedin-
gungen des zwischen dem Bekl. und Karl E. im Jahre
1896 geschlossenen Vertrags deshalb unterworfen sei, weil
der neu eintretende Kommanditist sich auch ohne beson-
dere Vereinbarung dem bestehenden Vertrage jedenfalls
dann unterwerfe, wenn ihm (was hier anzunehmen) des
Vertrag bekannt sei. Ein so allgemeiner Rechtssätz dürfe
nicht aufgestellt werden. Vielmehr sei im einzelnen zu
prüfen, in welcher Richtung sich der Wille der Parteien
bewegt habe. Wohl könne stillschweigend die Absicht der
einen Vertragschließenden gewesen sein, sich dem ihm
bekannten alten Abkommen zu unterwerfen. Dann aber
sei darüber eine Feststellung zu treffen. Den besonderen
Sachverhalt aber habe das BerufungsGer. überhaupt
nicht geprüft. Die offene Handelsgesellschaft S. E. & Co.
sei auch nicht als Rechtsnachfolgerin von Karl E. in dessen
Eigenschaft als Inhaber der Firma S. E. & Co. von selbst
Kommanditistin des Bekl. geworden. Dieser habe bis zur
Neueintragung Karl E. als Kommanditisten angesehen, sei dann

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