Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

24.3. Justizstatistik

24.3.1. Die Zahl der Richter in Deutschland

24.3.2. Zunahme der Advokaten in Oesterreich

1187

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 19.

1188

Justizstatistik.
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident
Lindenberg, Posen.
Die Zahl der Richter in Deutschland. Die Gesamt-
zahl der Richter aller Instanzen, abgesehen vom Reichs-
gericht und Bayerischen Obersten Landesgericht, betrug
nach dem soeben erschienenen Jahrgang XVI der im
Reichs-Justizamt bearbeiteten Deutschen Justiz-Statistik am
1. Jan. d. J. 10 177 gegen 9974 i. J. 1911, 9676 i. J. 1909,
9289 i. J. 1907, 8379 i. J. 1903, 7296 i. J. 1893 und 6955
i. J. 1883. Es hat also in den letzten beiden Jahren eine
Zunahme der Richter um 203 oder 2,0% stattgefunden,
während die Zahl in den zwei Jahren von 1909 bis 1911
um 298 oder 3,1 % und in den zwei Jahren von 1907 bis
1909 um 387 oder 4,2 % gestiegen war. Die Zunahme
hat also in letzter Zeit wesentlich nachgelassen. Geht man
30 Jahre zurück, so hat sich die Zahl der Richter seitdem
um 3222 oder 46,5% erhöht. Da die Gesamtbevölkerung
des Reichs sich in demselben Zeitraum um 45,2% ver-
mehrt hat, ist die Zahl der Richter noch etwas stärker
gestiegen als die der Bevölkerung. Die Zunahme der
Richter ist aber während dieses 30jährigen Zeitraums
nicht gleichmäßig erfolgt; im ersten Jahrzehnt betrug sie
nur 341, im zweiten 1083, im dritten 1798. Man sieht,
daß das Zeitmaß sich sehr beschleunigt hat, trotzdem wir
uns augenblicklich, wie bemerkt, hinsichtlich der Steige-
rungsziffer schon wieder auf dem absteigenden Aste be-
finden. Von der Gesamtzahl der Richter entfallen auf die
Oberlandesgerichte 822 (i. J. 1883 524), auf die Landge-
richte 3351 (2178) und auf die Amtsgerichte 6004 (4253).
Es hat hiernach in den letzten 30 Jahren zugenommen
die Zahl der Richter bei den Oberlandesgerichten um
56,9%, bei den Landgerichten um 53,9% und bei den
Amtsgerichten um 41,2%. Von den einzelnen Ober-
landesgerichten hat die bei weitem größte Richterzahl
der Kammergerichtsbezirk mit 1207 (i. J. 1903 809), so
daß fast ein Achtel aller deutschen Richter auf diesen Be-
zirk entfallen. Dann folgen die Bezirke Dresden mit 757
(i. J. 1903 627), Breslau mit 714 (645), Hamm mit 623
(465), Köln mit 530 (einschl. Düsseldorf 528), Naumburg
mit 470 (436), München mit 432 (405), Celle mit 411
(372), Düsseldorf mit 408, Königsberg mit 326 (314),
Stuttgart mit 324 (295), Posen mit 316 (287), Nürnberg
mit 307 (275), Jena mit 287 (266), Frankfurt a. M. mit
285 (215), Karlsruhe mit 274 (236), Bamberg mit 273
(273), Hamburg mit 270 (195), Marienwerder mit 239
(214), Kolmar mit 234 (209), Kiel mit 231 (179), Stettin
mit 228 (208), Augsburg mit 216 (212), Darmstadt mit
206 (182), Zweibrücken mit 170 (123), Kassel mit 167
(154), Rostock mit 134 (130), Braunschweig mit 97
(92) und Oldenburg mit 45 (51). Eine Abnahme der
Richter hat in den letzten 10 Jahren hiernach nur im
kleinsten Oberlandesgerichtsbezirke Oldenburg (um 6)
stattgefunden. Im Bezirk Bamberg ist die Zahl unver-
ändert geblieben, in allen übrigen Bezirken hat sie sich
erhöht, am meisten in den vor zehn Jahren noch ver-
einigten Bezirken Köln und Düsseldorf (um 408 oder
81,1%) und im Kammergerichtsbezirk (um 398 oder
49,2%). Beim Reichsgericht sind 100 (i. J. 1903 92)
und beim Bayerischen Obersten Landesgericht 19 (22)
Richter vorhanden.
Zunahme der Advokaten in Oesterreich. Wie
im Deutschen Reich die Zahl der Rechtsanwälte von Jahr
zu Jahr in bedenklicher Weise steigt, so macht sich auch
in Oesterreich eine verhältnismäßig starke Zunahme der
Advokaten bemerkbar. Nach einer Uebersicht, welche die

„Gerichtshalle“ amtlicher Quelle entnimmt, waren am
Schlüsse des Jahres 1912 in Oesterreich 5708 Advo-
katen vorhanden gegen 5444 am Schlüsse des Jahres 1911
und 5245 am Schlüsse des Jahres 1910. Im Jahre 1911
hat also die Steigerung 199 oder 3,8% betragen, im Jahre
1912 264 oder 4,8%. Es wird angenommen, daß am
Schlüsse des Jahres 1913 6000 Advokaten gezählt werden.
Die meisten Advokaten hatte von den einzelnen Kronländern
usw. Niederösterreich mit 1435 (i. J. 1911 1367); dann
folgen Böhmen mit 1267 (1235) und Ostgalizien mit 1028
(950). Der Zuwachs setzt sich im ganzen zusammen aus
einer Zunahme um 422 (im Vorjahr 373) und einer Ab-
nahme um 158 (174) Advokaten. Die Zunahme, die haupt-
sächlich durch Neueintragungen veranlaßt worden ist, hat
sich also gegenüber dem Vorjahre um 49 erhöht, die Ab-
nahme um 16 vermindert. Die Zahl der Advokaturs-
kandidaten zeigt ebenfalls eine wesentliche Steigerung.
Am Schlüsse des Jahres 1912 waren 3561 vorhanden
gegen 3289 am Schlüsse des Jahres 1911 und 2901 am
Schlüsse des Jahres 1910. Wie die „Gerichtshalle“ sagen
kann, diese Zahlen zeigten ein „erfreulicheres Bild“ als
die der Advokaten, ist unerfindlich. Allerdings ist ja die
Steigerungsziffer im Jahre 1912 mit 272 erheblich ge-
ringer gewesen als im Jahre 1911 mit 388, aber die re-
lative Zunahme beträgt im Jahre 1912 immer noch 8,3%,
liegt also sehr wesentlich über der der Advokaten (4,8%),
und auch die absolute Zunahme üb er trifft die der Advokaten
noch um 8. Die Höchstzahl der Advokaturskandidaten hatte
der Oberlandesgerichtssprengel Lemberg mit 1207 gegen
1174 im Jahre 1911. Da in diesem Sprengel 1234 Ad-
vokaten vorhanden sind, ist dort die Zahl der Advokaturs-
kandidaten nahezu so groß wie die der Advokaten. Noch
ungünstiger liegen die Verhältnisse im Oberlandesgerichts-
bezirk Zara, wo den 93 Advokaten 109 Advokaturskandi-
daten gegenüberstehen. Im Oberlandesgerichtsbezirk Wien
waren 654 (i. J. 1911 602), im Oberlandesgerichtsbezirk
Prag 642 (604) Advokaturskandidaten vorhanden. Die
„Gerichtshalle“ knüpft an diese Zahlen Betrachtungen über
die soziale Lage der Advokaten in Gegenwart und Zukunft.
Sie betont, daß den Advokaten seit Jahren kein neues
Tätigkeitsgebiet eröffnet sei; eher könne man von einer
Einschränkung sprechen, wie eine solche durch das Hand-
lungsgehilfengesetz eingetreten sei. Dazu käme der Wett-
bewerb der Rechtsbureaus, die nicht nur von Aktienge-
sellschaften geschaffen, sondern auch von mittleren Kauf-
leuten eingerichtet würden, indem sie einen Buchhalter mit
der Abfassung von Klagen usw. beauftragten. Bei der
Höhe der Gerichtskosten und dem meist negativen Er-
folge des den Schuldner begünstigenden Vollstreckungs-
verfahrens sehe das Publikum möglichst von advokatori-
seher Unterstützung ab. Der Advokat habe also zur
Zeit mit großen Schwierigkeiten zu rechnen, und der
große Durchschnitt der diesem Stande Angehörenden
werde von schweren Erwerbssorgen bedrückt. Wer
draußen stehe, habe keine Ahnung davon. Ihn blende die
„Leichtigkeit“, mit welcher der Advokat angeblich ver-
diene. Er sehe nämlich nur die paar Großen, vom Glück
Begünstigten. Würde die Oeffentlichkeit wahrheitsgemäß
informiert werden, so würde man, meint die „Gerichts-
halle“, einerseits über den Stand richtiger urteilen, an-
dererseits würde sich die Vorliebe für diesen Beruf nicht
in dem großen Zudrang zeigen. Für die Advokaten
sei aber jedenfalls die gegenwärtige Lage äußerst kritisch.
Die Verhältnisse der Advokatur liegen hiernach in Oester-
reich ungefähr ebenso wie die der Rechtsanwaltschaft
in Deutschland.

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