23.4.2.
Personalien
23.5.
Vereine und Gesellschaften
23.5.1.
12. Internationale Versammlung der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung in Kopenhagen
(StA. Dr. Rosenfeld)
1125
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 18.
1126
Gegen den Strafgesetzentwurf bestand keine Opposition.
Dagegen trug ein Teil des Hauses Bedenken gegen die
Einführung der Schöffen für jene Sachen, über die bisher
nur Berufsrichter urteilten. Die Debatte drehte sich daher
hauptsächlich um die Frage der Aufrechterhaltung oder Be-
seitigung der Schwurgerichte. Daß sie sich nicht bewährt
haben, war die ausnahmslose Meinung. Die Mehrheit war
jedoch der Ansicht, daß die Abschaffung oder Einschränkung
der Schwurgerichte ohne Kompensation nicht zu erreichen
sei, und daß es daher schon aus taktischen Gründen not-
wendig wäre, die Schöffengerichte einzuführen. Die Vor-
schläge des Entwurfes wurden schließlich mit großer
Mehrheit angenommen.
Personalien. In der Blüte seiner Jahre und Kraft
ist Geh. Justizrat, Prof. Dr. Hellwig, Berlin, plötzlich
verschieden. Was der Verstorbene für die Wissenschaft,
besonders des Zivilprozesses, bedeutete, welchen Verlust
die juristische Fakultät der Univ. Berlin und mit ihr die
juristische Jugend, die in ihm einen ihrer glänzendsten
Lehrer verloren, zu beklagen hat, wird an dieser Stelle
von berufener Feder noch geschildert werden. Für heute
sei es der Schriftleitung d. Bl. gestattet, dem allzu irüh
Verblichenen für seine der DJZ. stets bekundete wertvolle
Förderung und Mitarbeit warmen Dank nachzurufen. Sie
wird ihm allezeit ein treues Andenken bewahren! — Dem
Präsidenten des Oberlandesgerichts in Breslau, Dr. Vier-
haus (vgl. die Würdigung seiner großen Verdienste um
die Justizverwaltung, Rechtspflege und Wissenschaft S. 205,
1904 u. S. 1104,1905 d. Bl.) und dem Präsidenten des OLG.
in München, Ritter v. Heinzeimann (vgl. desgl. S. 241,
1910 d. Bl.) ist das Prädikat Exzellenz, dem Prof. Dr.
Oetker, Würzburg, der Titel und Rang eines Geh. Hofrats
verliehen worden. — LGDirektor Reichhelm, Berlin, ist
unter Ernennung zum KGR. als hauptamtliches Mitglied der
Justizprüfungskommission bestellt worden.
Vereine und Gesellschaften.
Die Internationale Kriminalistische Vereini-
gung hielt ihre 12. Internationale Versammlung
v. 27.—31. Aug. 1913 in Kopenhagen unter dem Ehren-
vorsitz des dänischen Ministerpräsidenten Justizministers
Zahle und unter dem Vorsitz des Professors van Hamei,
Amsterdam, ab.
Auf der Tagesordnung standen die beiden Fragen:
1.Schutzmaßnahmen gegen Gemeingefährliche und
2. die Umgestaltung des juristischen Unterrichts.
Zu Frage 1: „Das Gesetz muß bestimmte Schutz-
maßnahmen einführen zur Sicherung der Gesellschaft
vor Verbrechern, welche angesichts ihrer Rückfälligkeit,
ihrer allgemeinen Lebensführung oder ihrer ererbten
sowie sonstigen persönlichen Eigenschaften gemein-
gefährlich erscheinen. Das Gesetz muß hierbei be-
stimmen, wann der hierzu erforderliche Tatbestand jener
Rückfälligkeit, allgemeinen Lebensführung oder ererbten
oder sonstigen persönlichen Eigenschaften vorliegt,«
beschloß die Versammlung, auf der diesjährigen Tagung
lediglich die Schutzmaßnahmen gegenüber gemeingefähr-
lichen Rückfälligen zu erörtern. Sie einigte sich, nach-
dem die Professoren Nabokoff, St. Petersburg, und
Visoiu-Cornateanu, Bukarest, ihre Referate vorgetragen
hatten, nach lebhafter Debatte auf folgende Beschlüsse;
1. Als richtigstes System für die Behandlung gemein-
gefährlicher Rückfälliger ist dasjenige System zu betrachten,
welches das formelle Merkmal des Rückfalles mit der subjek-
tiven Wertung verbindet, die den Verbrecher als Gewohnheits-
verbrecher und zugleich als gemeingefährlich erscheinen läßt.
2. Es ist notwendig und billig, die politischen Ver-
brecher aus der Gruppe von Verbrechern auszuschließen,
gegen welche Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind.
3. Die vom Gericht festzusetzende Mindestdauer der
Sicherungsmaßnahme beträgt wenigstens ebensoviel wie
die Freiheitsstrafe, auf welche sonst erkannt worden wäre,
kann diese Zeit aber mit höchstens zwei Jahren über-
schreiten. Eine besondere Vollzugskommission entscheidet,
ob die Verwahrung nach Ablauf der Mindestdauer auf-
hören oder ob sie fortdauem soll. In letzterem Falle hat
der Verwahrte das Recht, alle zwei Jahre eine neue
Prüfung dieser Frage zu fordern. Die Versammlung will
damit sagen, daß das Gericht gegenüber rückfälligen Gewohn-
heitsverbrechern auf eine Sicherungsmaßnahme oder auf eine
Strafe erkennen soll, deren Mindestdauer es bestimmt,
deren Höchstdauer aber unbestimmt bleibt.
4. Stimmengleichheit hat sich bez. der Frage ergeben,
ob das Gericht gegenüber gemeingefährlichen Rückfälligen
auf Strafe mit sich anschließender Sicherungsmaßnahme
oder nur auf Sicherungsmaßnahme erkennen soll.
Zu Frage 2: Die Umgestaltung des juristischen
Unterrichts und die Unterweisung der Beamten, welche
mit der Entscheidung der Frage der Gemeingefährlich-
keit betraut werden.
Hierüber begründet Prof. Dr. Heimberger, Bonn,
seine ausführlichen Thesen, in welchen er, unter Ab-
lehnung einer Trennung der Ausbildung der Kriminal-
juristen von der der Ziviljuristen, eine Spezialausbildung
der Juristen in den Hilfswissenschaften des Strafrechts
(Kriminalanthropologie, Kriminalpsychologie, Kriminal-
psychiatrie, Kriminalistik, Kriminalstatistik, gerichtliche
Medizin, Gefängniskunde) verlangt, und zwar erst nach
Abschluß der Universitätsstudien. Kurse zur Ausbildung
in den Hilfswissenschaften seien aber regelmäßig an solchen
Universitäten einzurichten, wo sich größere Gerichte, Polizei-
verwaltungen und Strafanstalten befänden.
In der lebhaften Diskussion unterschied Regierungsrat
Dr. Lindenau, Berlin, zwischen Kriminologie, d. h. den
Hilfswissenschaften des materiellen Rechts (Biologie, Sozio-
logie, Psychologie, Kriminalstatistik), Kriminalistik, d. h.
Hilfswissenschaften des formellen Strafrechts, und Pöno-
logie; er verlangt Universitätslehre für diese Fächer. Er
wünscht, daß die Landesgruppen baldigst beginnen, das
für die Ausbildung in den Hilfswissenschaften des Straf-
rechtes erforderliche Zusammenwirken der Universitäten
mit den Strafverfolgungszentralen, insbesondere der haupt-
städtischen Kriminalpolizei, zu organisieren.
Prof. Dr. Ho eff ding, Kopenhagen, hält die Aus-
bildung des Richters in der Psychologie für überaus wichtig,
glaubt aber, daß alles für den Strafrichter Wichtige in
6—7 Stunden gelehrt werden kann.
Prof. Dr. Liepmann, Kiel, beklagt, daß in den Lehr-
büchern der hervorragenden Strafrechtslehrer und in den
juristischen Vorlesungen die Wirklichkeit gegenüber allen
möglichen Theorien zu kurz komme. Er wünscht, daß
die Studenten mehr mit den praktischen Fragen (z. B.
Organisation der Fürsorgeerziehung, Psychologie des Ge-
ständnisses, Indizienbeweis u. a.) vertraut gemacht werden.
Beschlüsse zu dieser Frage wurden nicht gefaßt; die
Frage soll weiter im Auge behalten werden.
Die Versammlung war stark besucht, auch aus Deutsch-
land. Während aber das Ausland Theoretiker und Prak-
tiker in gleichem Maße entsandt hatte, war die Zahl der
deutschen Praktiker zu klein. Die Vorgesetzten Behörden
müßten hier, wo die Stimme des Praktikers von Wert und
Einfluß ist, anregend wirken.
Die von Prof. Torp und Kriminalrichter Rüdinger
geleitete Organisation des Kongresses war mustergültig.
Die Sitzungen und die geselligen Veranstaltungen in den
vornehmen, jahrhundertalten Räumen des Parlaments und
der ehrwürdigen Schießbahn - Gesellschaft brachten den
Teilnehmern die alte dänische Kultur, die sich in gleichem
Maße in der großartigen und herzlichen Gastlichkeit äußerte,