Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

23.1.4. Zur Frage nach der Gültigkeit der Bordellveräußerung und Bordellbelastung

1113

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 18.

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1. Okt. 1872 eingeführt) hat diesem Uebelstande
zwar abgeholfen, aber auf einem rein formellen
Wege. Das Rechtsbewußtsein des Laien faßt schwer
den Satz, daß nicht schon die tatsächliche unbe-
schränkte Verfügungsgewalt Eigentum bedeutet, son-
dern erst die Eintragung im Grundbuche dieses
Recht verschafft. Der Laie legt keinen Wert auf
die Eintragung, wenn er nicht den unmittelbaren
Nutzen sieht, und er unterläßt sie gern, wenn er
die hohen Kosten und Abgaben vermeiden kann, die
mit einem Eigentumswechsel verbunden sind. Indem
die Auflassung durch Erteilung von Vollmachten, durch
sogenannte Offertverträge, durch Abtretung der
Rechte aus schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäften
u. dgl. umgangen wird, entstehen oft verwickelte
Rechtsverhältnisse. Die Zuwachssteuer kann der
Helfer werden.
Es ist ein ungesunder Zustand, daß in steigendem
Maße das Grundeigentum natürlicher Personen durch
Eigentum juristischer Personen ersetzt wird in der
Weise, daß das Grundstück auf eine aus zwei Personen
bestehende G. m. b. H. übertragen wird und daß dann
einer der Gesellschafter seinen Anteil auf den anderen
überträgt. Nunmehr hat der alleinige Gesellschafter
zwar tatsächlich die Verfügungsgewalt über das
Grundstück, überträgt er diese aber auf einen anderen
durch Abtretung der Geschäftsanteile, so findet
kein Eigentums Wechsel am Grundstück statt. Die
Besitzwechselabgaben werden also erspart, sofern
das Gesetz dagegen nicht Vorsorge trifft. Die
Gesetzgebung ist zwar noch keineswegs überall
solchen Steuerumgehungen zu Leibe gegangen; na-
mentlich ist die Erhebung von Kreis- und Gemeinde-
umsatzsteuern in Preußen in solchen Fällen z. Z.
nicht möglich.1) Das Zuwachssteuergesetz zieht aber
die Fälle der Abtretung von Geschäftsanteilen mit
in seinen Bann (§ 3), und seine hohen Sätze bilden
einen Damm gegen allzugroße Ueberflutung mit
unnatürlichen Rechtsgeschäften.
Ueberall hat die Rücksichtnahme auf die hohen
Abgaben im Grundstücksverkehr unerfreuliche Ver-
hältnisse geschaffen, die schwere Schäden — nicht
nur auf dem Gebiete des Vermögensrechts — in sich
bergen. Ich verweise nur noch auf die Zunahme
fiduziarischer Geschäfte beim Eigentumserwerb. Die
Zuwachssteuer bildet ein Gegengewicht hiergegen.
Denn sie steht in einem gewissen Gegensatz zu
anderen Abgaben. Das, was bei ihr den Ertrag er-
höht, vermindert das Aufkommen bei jenen. Des-
halb werden gewisse Umgehungen jener Abgaben
dem Umgehenden bei der Zuwachssteuer leicht zum
Verhängnis. Dadurch verliert die Umgehung ihren
Reiz, und es ist der Weg zu natürlichen Verhält-
nissen wieder frei.
Eine vernünftige Grundwertzuwachssteuer
kann also nicht tnur lür die öffentlichen Kassen,
sondern auch für den gesamten Rechtsverkehr nütz-
lich sein.

>) Kreis- und Provinzialabgabenges. v. 23. April 1906 § 6 Ziff. 1,
Entsch. des prenß. OVG. Bd. 58 L. 122, Bd. 62 S. 262.

Zur Frage nach der Gültigkeit der Bordell-
veräußerung und Bordellbelastung.
Vom Landrichter und PrivatdozentenDr. FranzHaymann,
Frankfurt a. M.
Da das Reichsgericht bei Frage der Anwendung
des § 138 BGB. auf den Bordellkauf für entscheidend
hält, ob auch objektiv Inhalt und Zweck des Kauf-
geschäfts gegen die guten Sitten verstoßen, so ist
der von einzelnen1) erhobene Vorwurf nicht be-
rechtigt, es sei hier ein Geschäft bloß um der un-
sittlichen Motive der Kontrahenten willen für nichtig
erklärt. Am wenigsten Schwierigkeit bietet die
Grenzziehung zwischen dem — sei es auch dem
Gegner bekannten — irrelevanten Motiv und dem
aus dem Inhalt des Geschäfts hervorgehenden Zweck
dort, wo der verkaufte Gegenstand seiner Natur
nach nur unsittlichen Zwecken zu dienen bestimmt
sein kann. Zwar kann die Rechtsordnung, da sie
an obszönen Bildern Eigentum anerkennt, auch in
dem Versprechen der Eigentumsübertragung an
solchen Dingen an sich keinen unsittlichen Inhalt
sehen. Aber trotzdem ist der Verkauf obszöner
Photographien nach § 138 BGB. nichtig, weil der
unsittliche Zweck des Geschäfts sich aus der Natur
der Kaufsache ohne weiteres ergibt. Aehnlich liegt
der Fall beim Verkauf eines Grundstücks, das nach
seiner örtlichen Lage, seiner Einrichtung und Ver-
gangenheit auf die Verwendung zum Bordellbetrieb
angewiesen ist und sich damit ohne weiteres als
Bordellgrundstück aus weist. Das Versprechen, ein
solches Grundstück zu veräußern oder zu vermieten,
muß ohne weiteres als dem Kuppeleizweck dienend
erscheinen und darum nach § 138 BGB. nichtig
sein, falls nicht der Gegenbeweis geführt wird, daß
es im besonderen Fall sittlich einwandfreien Zwecken
dienen soll.2) Noch einfacher liegt die Frage beim
Werkvertrag, falls sich der Unternehmer verpflichtet,
ein für den Bordellbetrieb geeignetes Grundstück
herzurichten.3)
Ist der unsittliche Charakter des Geschäfts-
objekts nicht so eindeutig bestimmt, so wird es frei-
lich anderer aus dem Geschäftsinhalt selbst erhellender
Umstände als Indizien dafür bedürfen, daß das Ge-
schäft nach dem Willen der Parteien unsittlichen
Zwecken dienen sollte. Sowie der nach § 459
BGB. erhebliche Vertragszweck eines Grundstücks-
verkaufs sich daraus ergeben kann, daß die Parteien
den Kaufpreis nach der Rente veranschlagen, die
das Grundstück durch Vermietung der einzelnen
Wohnungen ab wirft,4) so wird häufig der „nach dem
Vertrag vorausgesetzte Gebrauch“ als Bordellgrund-
stück daraus entnommen werden können, daß das
Grundstück mit Rücksicht auf seine Tauglichkeit zu
diesem Zweck weit über seinen sonstigen Wert
hinaus bezahlt wird.5)
1) Vgl. r. B. Lenel, 1907 S. 455, Holder, 1908 S. 47 d. Bl.
2) Etwas za weit geht RG. Bd. 29 S. 109.
3) Vgl. RG. Bd. 71 S. 194.
*) RG. Bd. 70 S. 86.
ß) Vgl. 2. B. RG. Bd. 63 S. 351, Bd. 68 S. 99, Bd. 71 S. 432,
Bd. 78 S. 283. Entsch. d. Bayr. Ob. Landesg. Bd. 13 S. 332.

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