20.6.6.
Zum deutsch-französischen Kamerun-Abkommen
(Dr. jur. Marten)
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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 14.
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des Arztes Vergütung für die einzelnen Dienste verlangt,
befreit der Patient sich durch Angebot der Pauschal-
vergütung. Was hier vom Tode gesagt ist, gilt auch
von allen anderen Fällen schuldloser Beendigung des Ver-
trages. Gibt z. B. der Hausarzt seine Praxis zum 1. Juli
überhaupt auf, so kann er, wenn er bis dahin in diesem
Jahr ärztliche Dienste nicht geleistet hat, nichts verlangen;
hat er solche bereits geleistet, so braucht er sich nicht
mit der Hälfte der Pauschalvergütung ab finden lassen, kann
vielmehr Vegütung für den einzelnen Dienst verlangen,
jedoch höchstens die ganze Pauschalvergütung. — Vgl.
aber unten 6.
3. Veranlaßt der Dienstberechtigte durch vertrags-
widriges Verhalten den Hausarzt zur Kündigung (z. B. er
begibt sich ohne Willen des Hausarztes in die Behand-
lung eines anderen Arztes), so kann nach § 628 Abs. 2 der
Hausarzt die volle Vergütung beanspruchen.
4. Gibt der Hausarzt durch sein Verhalten (z. B.
nachlässige oder unrichtige Behandlung) dem Dienst-
berechtigten zur Kündigung Anlaß, so erhält jener nicht
etwa nach § 628 Abs. 1 Satz 1 „einen seinen bisherigen
Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung“. Denn
wie oben ausgeführt, widerspricht es dem Vertrags Ver-
hältnis, die Pauschalvergütung rechnerisch-mechanisch auf
die einzelnen Teile des Jahres zu verteilen; der Arzt er-
hält hier also nur die einzelnen Leistungen dieses Jahres
vergütet. Der Satz 2 a. a. O. ist nur eine Folge der all-
gemeinen Schadensersatzpflicht des vertragswidrig Han-
delnden (Prot. 2, 305) und kommt danach auch hier zur
Anwendung. Hat z. B. der Hausarzt, der 100 M. das
Jahr erhalten soll, in den ersten Monaten des Jahres Dienste
geleistet, die als einzelne mit 100 M. zu vergüten wären,
und veranlaßt er durch eine Pflichtwidrigkeit sodann
die Kündigung, so kann ihm der Betrag abgezogen werden,
der aufzuwenden ist, um für den Rest des Jahres einen
neuen Hausarzt zu gewinnen.
5. Vereinbaren die Beteiligten freiwillig im Lauf eines
Jahres die Beseitigung des Vertrages, also ohne daß Ver-
tragswidrigkeit eines Teiles vorliegt, so erhält der Haus-
arzt schlechthin in der oben zu 2 angegebenen Weise die
einzelnen Leistungen vergütet.
6. Wie jeder Vertrag, so steht auch der Hausarzt-
vertrag unter den Grundsätzen von Treu und Glauben.
Endigt der Vertrag zwar im Lauf des Jahres, aber gegen
dessen Schluß, etwa durch Tod des Arztes, so hat der
Dienstberechtigte nach § 320 Abs. 2 die volle Vergütung
zu zahlen, auch wenn er in diesem Jahr die Tätigkeit des
Arztes nicht in Anspruch genommen hat. Aus diesem
Gesichtspunkt ergibt sich also eine Einschränkung des
oben zu 2 Gesagten. Daß der Hausarzt, wenn ich gleich
bei Beginn des Jahres sterbe, dennoch die volle Pauschal-
vergütung erhält (oben 1), kann nicht auffallen, da ja ich
auch z. B. die volle Rente und der Versicherer die volle
Jahresprämie erhält, wenn ich nur den Beginn des Viertel-
jahres erlebe oder die Gefahrtragung auch nur begonnen
hat. (§ 760 Abs. 3; § 68 Abs. 2 VVG.)
7. Der Hausarztvertrag ist geschlossen auf ein Jahr
mit der Maßgabe, daß er sich stillschweigend fortsetzt,
wenn kein Teil vor Jahresschluß kündigt; die Vergütung
ist also auch dann zu zahlen, wenn die ärztliche Tätigkeit
in einem Jahre gar nicht in Anspruch genommen ist, und
unaufgefordert braucht der Arzt seine Dienste nicht an-
zubieten.
Rechtsanwalt Dr. Josef, Freiburg i. Br.
Zum deutsch - französischen Kamerun - Ab-
kommen, Obwohl seit dem Vertrage zwischen England
und dem Kongostaate v. 12. Mai 1894 (Staatsarch. B. 57
Nr. 10), der zuerst die Bezeichnung „verpachten“ für die
Ueberlassung von Hoheitsrechten gebraucht, fast 20 Jahre
verflossen sind, ist die Bedeutung des völkerrechtlichen
Pachtvertrages noch immer streitig. Eine vielfach ver-
tretene Ansicht will ihn als Scheingeschäft, als verschleierte
Gebietsabtretung aufgefaßt wissen1). Diese Lösung ist
zweifellos sehr einfach. Doch erinnert sie ein wenig an
den gordischen Knoten, und ihre Richtigkeit dürfte mit
Recht nicht unbestritten sein.
Nun ist freilich auch für das Völkerrecht davon aus-
zugehen, daß auf ein Scheingeschäft „die für das verdeckte
Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung finden“.
Wenn also ein völkerrechtlicher Pachtvertrag wirklich als
Scheingeschäft gewollt ist, so ist über seine Bedeutung
kein Wort zu verlieren. Leider aber haben Scheingeschäfte
die Eigentümlichkeit, daß der unbefangene Dritte ihnen
nicht ansehen kann und soll, daß sie Scheingeschäfte sind.
Wer also von einem völkerrechtlichen Pachtverträge be-
hauptet, er sei ein Scheinvertrag, weiß offenbar mehr, als
er nach dem Wunsche der Vertragsparteien eigentlich wissen
sollte. Tatsächlich jedoch pflegt die Auslegung des völker-
rechtlichen Pachtvertrags als eines Scheingeschäfts lediglich
mit allgemeinen Erwägungen begründet zu werden.
Völlig versagen muß dieses Verfahren gegenüber dem
nach Art. 8 des Kamerunvertrages abzuschließenden Pacht-
verträge. Nach Art. 8 dieses Abkommens ist Deutschland
verpflichtet, unter noch näher festzusetzenden Bedingungen
längs des Benue und des Mayo Kebi und weiter in der
Richtung auf den Lagone zu an Frankreich „Grundstücke
zu verpachten“ (cedera ä bail . . . des terrains), die der
Anlage von Verproviantierungs- und Magazinstationen und
der Errichtung einer Etappenstraße dienen und bei höchstens
50 ha Flächeninhalt nicht länger als 500 m sein sollen.
Ihrer Fassung nach bieten die hier festgelegten Ver-
tragsgrundzüge sicher keinen Anhalt für • die Annahme,
daß es sich um ein Scheingeschäft handeln könnte, es
bedarf auch keiner Ausführung, daß gerade bei diesem
Vertrage das Hauptargument der Gegner nicht Stich hält.
Gerade bei diesem Vertrage ist im Hinblick auf seinen
praktisch nicht übermäßig bedeutsamen Inhalt, im Hinblick
ferner auf „die ganze Persönlichkeit“ der sich gleich-
wertigen Parteien wirklich nicht einzusehen, warum die
unverblümte Bezeichnung der Ueberlassung winziger
Enklaven an einer Etappenstraße als Abtretung die Eigen-
liebe des verpflichteten Staates verletzen und die Be-
gehrlichkeit anderer Mächte erregen könnte, kurz, warum
es nötig sein sollte „de sauver la face“. Wozu überhaupt
eine solche pia fraus, wenn angeblich nichts leichter ist,
als zu erkennen, daß eben eine pia fraus vorliegt?
Danach bleibt nur übrig, den nach Art. 8 ab-
zuschließenden Pachtvertrag, der natürlich kein privat-,
sondern ein völkerrechtlicher Vertrag sein wird (Liszt,
S. 156), so, wie er sich gibt, auch aufzufassen. Hätte man
früher seinen Inhalt als die Einräumung von Staatsservi-
tuten bezeichnet — nach der heutigen Auffassung der
Staatsservituten begründet er lediglich eine nur obligato-
rische, auf ein Dulden gerichtete Verpflichtung; er ist ein
Verpflichtungs-, kein Erfüllungsgeschäft.
Da nun dieser Vertrag sich, nach den in Art. 8 fest-
gelegten Grundzügen, in keinem wesentlichen Punkte von
den bisher bekannten völkerrechtlichen Pachtverträgen unter-
scheiden wird, läßt sich aus ihm die richtige Auffassung
des völkerrechtlichen Pachtvertrages überhaupt gewinnen;
Auch von den übrigen Pachtverträgen gilt bis zum zwingenden
Nachweise des Scheingeschäfts im besonderen Falle, daß
sie Rechtsgeschäfte rein obligatorischen Charakters sind.
1) Vgl. Liszt, Völkerrecht 1913 S. 101, 156.