Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

20.6.5. Der Hausarztvertrag

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 14.

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hat, als ihm bei der Auseinandersetzung zukommen würde,
keinesfalls zur Herauszahlung des Mehrbetrages verpflichtet
ist. Dies entspricht dem zweifelsfreien Wortlaut des § 2316
Abs. 1, der den Pflichtteil nach demjenigen bestimmt, was
auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der
Ausgleichungspflicht bei der Teilung entfallen würde. Von
dem Zuvielempfangenen würde aber nach den Vorschriften
über die Ausgleichungspflicht bei der Teilung auf den
Erbteil des Pflichtteilsberechtigten nichts entfallen.
Daraus ergibt sich aber nicht, wie das RG. meint,
daß die ausgleichungspflichtige Zuwendung auf die Be-
rechnung der Pflichtteilsergänzung ohne jeden Einfluß bleiben
muß. Diese Folgerung wird dem § 2056 Satz 2 BGB.
nicht gerecht.
Gehen wir zunächst davon aus, daß die 9000 M. nicht
verschenkt, sondern noch im Nachlasse vorhanden gewesen
wären. Dann würde nach § 2056 Satz 2 der Erbteil des
Erben A bei Teilung des Nachlasses außer Ansatz bleiben.
Der gesetzliche Erbteil des C würde sich dann auf 9000 M.,
der Pflichtteil also auf 4500 M. belaufen. Ebenso ist die
Pflichtteilsergänzung in unserem Falle zu berechnen. Denn
der Pflichtteilsergänzungsanspruch will — abgesehen davon,
daß er im Falle des § 2329 auf die Herausgabe der un-
gerechtfertigten Bereicherung beschränkt ist — den Pflicht-
teilsberechtigten hinsichtlich der Berechnung des Pflicht-
teils so stellen, wie wenn die Schenkung nicht erfolgt wäre.1)
Rechnet man die verschenkten 9000 M. dem Nachlasse hinzu,
so erhöht sich der nach § 2316 zu berechnende Pflichtteil
nicht um 1/2 von M, sondern um l/2 von 9000 M.
Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, daß die Pflichtteils-
ergänzung lediglich unter Zugrundelegung des eigentlichen
Geschenkes von 9000 M. zu berechnen sei, denn im § 2325
BGB. steht nichts, daß bei Berechnung der Ergänzung die
Ausgleichungspflicht gemäß § 2316 nicht zu berücksichtigen
sei. Dies wird noch klarer, wenn man unterstellt, daß
der Nachlaß nicht 0 M., sondern 6000 M. betragen habe.
Dann würde der Pflichtteil des Klägers, abgesehen von
den verschenkten 9000 M., unter Berücksichtigung des
§ 2056 Satz 2 1/2 seines gesetzlichen Erbteils, also. 1/2 von
6000 M. — 3000 M. betragen haben. Als Ergänzung könnte
C dann den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil
erhöht, wenn die verschenkten 9000 M. dem Nachlasse
hinzugerechnet werden. Rechnet man sie dem Nachlasse
hinzu, so beträgt dieser 6000 M. -f- 9000 M. = 15 000 M.;
der gesetzliche Erbteil des C würde sich dann, da der mit
24 000 M. ausgleichungspflichtige einzige Miterbe A nach
§ 2056 Satz 2 ausscheidet, auf 15 000 M. und der Pflicht-
teil des C somit auf 7500 M. stellen. Wäre die Meinung
des RG. richtig, so würde der Pflichtteil von 6000 M. wie
oben auf 3000 M. und die Pflichtteilsergänzung von 9000 M.
so zu berechnen sein, als wenn der Nachlaß nur aus
9000 M. bestände und A keine ausgleichungspflichtige
Zuwendung erhalten hätte. C würde danach 3000 M. -j- x/4
von 9000 M. = 2250 M., zusammen 5250 M. zu erhalten
haben. Dies entspricht m. E. nicht dem Sinn des Ge-
setzes. Was aber unzutreffend ist, wenn ein noch so
geringer reiner Nachlaß vorhanden ist, kann nicht dadurch
richtig werden, daß sich der Nachlaß zufällig auf 0 M.
beläuft oder überschuldet ist. C hätte also nicht 1/4 von
9000 M. — 2250 M., sondern x/2 von 9000 M. mit 4500 M.
ei halten müssen.
Durch diese Auffassung wird auch nicht die dem
Ausgleichungspflichtigen nach § 2056 gewährleistete Be-
freiung von jeder Herausgabepflicht vereitelt, da er nach
obiger Berechnung nicht dazu angehalten werden kann,
i) Vgl. § 2009 E. I, Mot. Bd. 5 S. 456, Prot, zu § 2325 BGB.
Bä. 5 S. 581—583, Bd 6 S. 104, 105. § 2325 BGB.

etwas von dem zur Ausgleichung zu stellenden Betrage
herauszugeben. In unserem Falle würde A, da ein reiner
Nachlaß nicht vorhanden ist, den gegen ihn als Erben
gerichteten Anspruch nach §§ 1975 ff. beseitigen können,
aber gleichwohl als Beschenkter nach § 2329 unter der
Beschränkung auf seine Bereicherung die 4500 M. an C
zahlen müssen. Wenn die 9000 M. nicht dem Erben A,
sondern einem Dritten geschenkt wären, so würde der
Anspruch des C in Höhe von 4500 M. nach § 2329 gegen
den Dritten begründet sein. Damit erledigt sich auch das
Bedenken, die Lage des A dürfe nicht dadurch ver-
schlechtert werden, daß er zugleich Erbe und Beschenkter
ist. Das Ergebnis unserer Erörterung gipfelt also in dem
Satze: Auch im Falle der §§ 2325 ff. findet § 2316 und
mit ihm sowohl Satz 1 wie Satz 2 des § 2056 Anwendung.
Landrichter Hemeling, Stade.

Der Hausarztvertrag ist ein Vertrag, durch den
ein Arzt sich verpflichtet, gegen eine gewöhnlich für ein
Jahr festgesetzte Vergütung während dieser Zeit seinem
Vertragsgenossen (oder auch zugleich dessen Familien-
mitgliedern oder Angestellten) sämtliche vorkommenden
ärztlichen Leistungen zu gewähren.1)
1. Tod des Patienten. Hier wird vielfach angenom-
men:2) Die Unmöglichkeit der Annahme einer Leistung be-
freie den Gläubiger nicht von der Gegenleistungspflicht; liege
der Hinderungsgrund ausschließlich in der Person oder im
Rechtskreise des Gläubigers (z.B. weil er stirbt), während der
Schuldner fortdauernd imstande ist, zu leisten,so dürfe dieFrage
nach der Möglichkeit der Leistung nicht aufgeworfen werden,
sondern der Nachteil falle dem Gläubiger zur Last; es
liege dann Annahmeverzug vor. Der Gläubiger könne dem
Schuldner nicht die Unmöglichkeit entgegenhalten, die
zuerst ihn und lediglich per consequens den Schuldner
trifft. Folgt man dieser Ansicht, so ergibt sich: der Haus-
arzt erhält, wenn der Dienstberechtigte (oder eine neben
ihm zu behandelnde Person) im Lauf des Vertragsjahres
stirbt, die volle Pauschalvergütung. Dasselbe gilt, wenn
der Dienstberechtigte die ärztliche Tätigkeit aus anderen
Gründen (etwa wegen amtlicher Wegversetzung) nicht
mehr gebrauchen kann. (Vgl. unten 6.)
2. Tod des Arztes: Diesem wird hier die ihm ob-
liegende Leistung schuldlos für den Rest des Jahres, also
teilweise unmöglich, so daß bei Anwendung des § 323
Abs. 1 der Erbe des Hausarztes die Pauschalvergütung
erhalten würde, jedoch gemindert „nach Maßgabe der
§§ 472, 473.“ Diese Folgerung (die anscheinend Kiefe
im Recht 13, 200 zieht) ist aber abzulehnen: nicht nur
die verschiedenen Jahrgänge sollen sich ausgleichen,
sondern auch die einzelnen Teile desselben Jahres; daher
widerspricht es dem Vertragsverhältnis, wenn einseitig die
Jahres Vergütung auf die einzelnen Teile des Jahres nach
Raten verteilt wird; der Pauschalsatz ist nur mit Rücksicht
darauf gewählt, daß im Lauf eines ganzen Jahres sich das
Zuviel oder Zuwenig der ärztlichen Dienste ausgleichen
wird; folglich fehlt, wenn das Jahr noch nicht abgelaufen
ist, der Grund, die Pauschal- (Durchschnitts-) Vergütung
anzuwenden. In diesem Fall sind also die bereits ge-
leisteten Dienste des Arztes einzeln zu bezahlen.3) Indes
beschränkt sich der Vergütungsanspruch unter allen Um-
ständen durch die Pauschalvergütung, d. h. wenn der Erbe
1) Also z. B. auch ärztliche Bescheinigungen auszustellen. Die
entgegengesetzte Ansicht von Korn, Recht 12, S. 734 erscheint nicht
richtig, denn der Dienstberechtigte will durch die versprochene
Pauschalvergütung jeder Sondervergütung enthoben sein.
2) Vgl. Köhler, Crome, Enneccerus-Lehmann, Gold-
mann-Lilienthal. Näheres beiBoer in Gruchot 54, 498 Anw. 9.
3) So auch Eccius, Preuß. PrR. 2 § 138 Arm. 68.

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