Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

20.4. Vermischtes

20.4.1. Dem Andenken an Rudolf von Jhering

905

XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 14.

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Zunahme um 7284 oder 5,7%. Die amtsgerichtlichen
Prozesse, die von 1909 zu 1910 um 73 649 und von 1910
zu 1911 um 43 783 zugenommen hatten, haben im Jahre
1912 eine Steigerung um 84 383 erfahren, die mit 5,1%
etwas hinter der der landgerichtlichen Prozesse zurück-
blieb. Die Wirkung der Novelle zeigt sich am besten
daran, daß im Jahre 1909 von den anhängig gewordenen
gewöhnlichen Prozessen 11,3% vor die Landgerichte kamen,
i. J. 1910, wo die Novelle drei Vierteljahre in Kraft war,
0. 1%, i. J. 1911, wo sie bereits voll wirkte, um 7,2 und
1. J. 1912 ebenfalls 7,2%. Man ist also jetzt zu einer
konstanten Ziffer gekommen, die zeigt, daß der prozentuale
Anteil der landgerichtlichen Prozesse an der Gesamtzahl
um 4,1 gesunken ist, was einem Rückgänge um 36 %
gleichkommt, etwa so viel, als man erwartet hatte.
Bei denUrkundenprozessen ergibt sich die folgende
Zahlenreihe:
1909 1910 1911 1912
Amtsgerichten . . 203 527 212 996 218 642 227 604
Landgerichten . . 62 111 36 023 30 609 31 674
zusammen . . 265 638 249 019 249 251 259 278
Hier hat also nach einem vorherigen Rückgänge auf die
Hälfte die Zahl der landgerichtlichen Prozesse im Jahre
1912 um 1065 oder 3,5% zugenommen, während die der
amtsgerichtlichen um 8962 oder 4,1% gestiegen ist. Daß
die Gesamtzunahme der Urkundeaprozesse relativ mit 4,0%
hinter der der gewöhnlichen Prozesse mit 5,1% zurück-
blieb, ist beachtenswert. Es zeigt dies, daß durch die
Kriegssorgen und die traurigen Immobiliarkreditveihältnisse
ein ungünstiger Einfluß auf den Wechselkredit wenigstens
im vorigen Jahre noch nicht ausgeübt worden ist.
Die Zunahme der Mahnsachen hat angehalten. Im
Jahre 1910 war unter dem Einflüsse der Erleichterungen
der GVG.-Noveile eine Zunahme um 111 633, i. J. 1911
sogar eine solche um 230 296 erfolgt. Das Jahr 1912
zeigt eine weitere Steigerung um 286 877, so daß die Gesamt-
zahl der Mahnsachen bereits 2 Millionen überschritten hat
(2 016 250). Auf 100 amtsgerichtliche Prozesse kommen
jetzt 102 Mahnsachen gegen nur 78 im Jahre 1909.
Von den sonstigen amtsgerichtlichen Zivilprozeß-
geschäften haben die Arreste und einstweiligen Ver-
fügungen im Jahre 1912 eine höhere Steigerungsziffer
gehabt als im voraufgegangenen Jahre, in dem diese aller-
dings ungewöhnlich niedrig gewesen war. Die Zahl ist
von 51999 auf 55 978 gegangen, also um 3979 oder
7,7 % gestiegen, während das Vorjahr nur eine Zunahme
um 3,3 % gehabt halte. Bei den Landgerichten haben die
Arreste und einstweiligen Verfügungen von 19 223 auf
21 450 zugenommen, sind also um 11,6% gestiegen, was
um so mehr ins Gewicht fällt, als das Vorjahr eine kleine
Abnahme gehabt hatte. Man wird nicht fehlgehen, wenn
man diese ziemlich scharfe Zunahme der Arreststrafen auf
die ungünstiger gewordene wirtschaftliche Konjunktur und
den schlechten Geldstand zurückführt. Viel deutlicher
zeigt sich die auf dem Baumarkt und dem Immobiliarkredit
lastende Ungunst der Verhältnisse in der starken Zunahme
der GrundstückszwangsVersteigerungen. Es sind
33 837 derartige Zwangsversteigerungen anhängig ge-
worden gegen 31 099 i. J. 1911, 30 474 i. J. 1910 und
31 030 i. J. 1909. Die Zunahme im letzten Jahre beträgt
also 2738 oder 8,8%. Die trübe Lage des Grundstücks-
marktes wird auch durch die sehr starke Steigerung der
Zwangsverwaltun gen gekennzeichnet. Nachdem be-
reits im Jahre 1911 eine Zunahme um 1002 oder 11,1%
stattgefunden hatte, ergibt sich im Jahre 1912 eine weitere
Steigerung von 9991 auf 11 209, also um 11,2%. Auch
die Konkursverfahren haben eine wesentliche Steige-

rung gehabt. Es sind 5362 Konkurse eröffnet worden
gegen 4940 i. J. 1911 und 4656 i. J. 1910, so daß eine
Zunahme um 422 oder 8,6% erfolgt ist.
Von den landgerichtlichen Geschäften sind die Pro-
zesse in Ehesachen besonders hervorzuheben. Die
Ehescheidungsprozesse, die in den 10 Jahren von 1901
bis 1911 sich genau verdoppelt hatten, sind im Berichts-
jahre weiter von 14 599 auf 15 689, also um 1090 oder
7,5% gestiegen. Dazu treten noch 348 (i. J. 1911 312)
Klagen wegen Nichtigkeit, Anfechtung und Bestehens oder
Nichtbestehens der Ehe und 1772 (1684) Prozesse auf
Wiederherstellung des ehelichen Lebens. Geschieden oder
für nichtig erklärt sind 10 961 Ehen gegen 9907 i. J.
1911, also jetzt 10,6% mehr.
Die Tätigkeit der Landgerichte in der Berufungs-
instanz hat weiter zugenommen, aber nicht so erheblich
wie im Jahre 1911. Es wurden an gewöhnlichen und
Urkundenprozessen anhängig 75 147 gegen 70.144 i. J.
1911, 62 541 i. J. 1910 und 56 565 i. J. 1909, so daß die
Zunahme 5003 beträgt gegen 7603 i. J. 1911. Bei den
Kammern für Handelssachen wurden 1971 Berufungen an-
hängig gegen 1715 i. J. 1911. Es scheint, als wenn sich
die Rechtsanwälte mehr und mehr daran gewöhnen, die
Berufungen in Handelssachen vor die Kammer für Handels-
sachen zu bringen.
Bei den Oberlandesgerichten zeigt sich unter der
Nachwirkung der GVG.-Novelle noch eine geringfügige
Abnahme der Sachen. Die Zahl der gewöhnlichen und
Urkundenprozesse sowie der Ehe- und Entmündigungs-
sachen, die bei den Oberlandesgerichten anhängig wurden,
betrug 30 398 gegen 30 458 i. J. 1911, 35 794 i. J. 1910
und 36 231 i. J. 1909. Kontradiktorische Verhandlungen
fanden 38 503 statt gegen 41476 i. J. 1911, kontra-
diktorische Endurteile wurden gefällt 22 006 gegen 23 420.
Es ist anzunehmen, daß das Jahr 1913 auch bei den
Oberlandesgerichten wieder eine Zunahme der Geschäfte
bringen wird. __

Vermischtes.
Dem Andenken an Rudolf von Jhering. Nachdem
bei Gelegenheit des Gießener Universitäts-Jubiläums Aus-
züge aus Briefen Jherings an Gerber, aus den Jahren
1851—1858, erschienen waren, hat jetzt die Tochter Helene
verehelichte Ehrenberg eine erfreulich vollständige Brief-
sammlung herausgegeben, die, chronologisch geordnet,
von 1844—1892 reicht.1) Darin ist auch wieder die Kor-
respondenz mit Gerber abgedruckt, welche mir nach wie
vor das größte Interesse zu bieten scheint; es kommen
neu aber auch Briefe hinzu an Windscheid, Glaser,
Fitting, Stintzing, Bülow, Mitteis u. a. von mehr
wissenschaftlichem Charakter; und lediglich freundschaft-
liche Briefe, besonders auch an Damen seines Bekannt-
schaftskreises, unter denen die Witwe Glasers, Frau Minna
Glaser, hier wohl an erster Stelle zu nennen ist. So viel
bedeutsame Einzelzüge zur Charakteristik Jherings und zur
Geschichte unserer Wissenschaft auch dieser neuen Samm-
lung zu entnehmen sein mögen (vgl. z. B. wegen der Ge-
schichtsschreibung S. 218 u. 362), so bestätigt sie doch
im ganzen und großen nur, was wir über beide bisher
wußten, wie denn auch andere Persönlichkeiten, z. B.
Dernburg und Windscheid, zwar vielleicht hier oder
da etwas plastischer, aber doch auch wieder nur in den
bekannten Umrissen hervortreten. Namentlich finde ich
!) Rudolf von Jhering in Briefen an seine Freunde, mit
2 Abbildungen. Leipzig 1913. — Die Briefe stammen aus verschiedenen
Quellen, darunter auch einige aus der Festschrift der „Deutschen
Juristen-Zeitung“ zum 100jährigen Jubiläum der Universität Berlin:
„Die Juristische Fakultät der Univ. Berlin“.

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