Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

20. Nummer 14. Berlin, den 15. Juli 1913

20.1. Abhandlungen

20.1.1. Der 80. Band der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Nummer 14.

Berlin, den 15. Juli 1913.

XVIII. Jahrgang.

Deutsche Juristen-Zeitung.
Begründet von LABAND — STENGLEIN — STAUB.

Herausgegeben von
DR. P. LABAND, DR. O. HAMM, DR. ERNST HEINITZ,
Wirkl. Geh. Rat, Professor. Wirkl. Geh. Rat, Oberlandesgerichtspräsident a. D. Justizrat.

Schriftleiter: DR. JUR. OTTO LIEBMANN.

Die »Deutsche Juristen-Zeitung* erscheint am 1. und 15.
jeden Monats. Vierteljährlich einschließlich aller Beilagen
für Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Luxemburg 4 M.;
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zeigen: die 4 gespaltene Nonpareillezeile 50 Pf. Familienan-
zeigen und Stellengesuche 40 Pf. Beilagen nach Uebereinkunft.
unverkürzter Quellenangabe wird gestattet.)

Der 80. Band der Entscheidungen des
Reichsgerichts in Zivilsachen.
Besprochen vom Geh. Rat, Prof. Dr. Lenel, Freiburg i. Br.
Der 80. Band enthält neben 74 zivilrechtlichen
und zivilprozeßrechtlichen Entscheidungen deren 23
aus dem Gebiete des öffentlichen Rechts, darunter
13 Stempel- und steuerrechtliche. Ein Fall (Nr. 93,
Urt. v. 15. Nov. 1912, S. 419), bei dem die Recht-
mäßigkeit der Erhebung einer Stempelabgabe
von 3 M. in Frage steht, füllt allein mehr als
7 Druckseiten. Mag die Ueberweisung dieser Pro-
zesse an das Reichsgericht sich auch historisch er-
klären, ihrem inneren Wesen nach würden sie vor
die Verwaltuogsgerichte gehören; der französische
Kassationshof hat mit ihnen nichts zu tun. Bei der
Ueberlastung des Reichsgerichts spielen sie eine
gewichtige Rolle, und der Druck dieser Last wird
nicht leichter, sondern immer schwerer werden, da
zu den alten Stempel- und Steuergesetzen leider stets
neue hinzutreten.
Beim Durchblättern des Bandes stößt man auf
zwei causes celebres, die auch in der Presse viel-
fach besprochen worden sind: den Fall Wein-
gartner1) (Nr. 51, Urt. v. 15. Okt. 1912, S. 219) und
den der de Hesselieschen Aktien2) (Nr. 46, Uit.
v. 11. Okt. 1912, S. 196). Bei jenem handelte es sich
um die Frage, ob und innerhalb welcher Grenzen
einem Künstler durch Vertrag Beschränkungen seiner
künstlerischen Tätigkeit auferlegt werden
können, ohne gegen die guten Sitten zu verstoßen.
Daß das RG. sich hier nicht auf den sehr extremen
Standpunkt des Klägers Weingartner gestellt hat,
dürfte in juristischen Kreisen wohl sehr allgemein
gebilligt werden; und wenn jetzt in den Zeitungen
angekündigt wird, er werde, ungeachtet seiner ver-
tragsmäßig übernommenen Verpflichtung und trotz
des reichsgerichtlichen Urteils, dennoch Konzerte
in Berlin geben und sich der Unterlassungsklage
gegenüber auf § 226 BGB. berufen, so gehört, glaube
1) Vgl. die Aufsätze v. Neumond u. Wolff, 8. 1499 S.,
1912 der DJZ.
2) Vgl. Ritter, 8. 536, 1912 der DJZ.

ich, keine Prophetengabe dazu, um das Scheitern
dieses Versuchs vorauszusagen. Aus den Gründen
der zweiten Entscheidung, die die Prospekt-
haftung betrifft, scheint mir folgender Punkt be-
merkenswert. Die emittierende Bank hatte die alten
und die später ausgegebenen jungen Aktien mittels
besonderer Prospekte eingeführt, die beide unrichtige,
auf grober Fahrlässigkeit beruhende Angaben ent-
hielten. Das RG. versagt den Besitzern der jungen
Aktien, die diese vor Erlassung des zweiten Pro-
spekts auf Grund des den Aktionären eingeräumten
Bezugsrechts erworben hatten, den durch das Börsen-
ges. §§ 43. 44 eingeräumten Ersatzanspruch. Wie mir
scheint, mit Recht. Denn die Ausübung des Bezugsrechts
stand in Kausalzusammenhang mit derVeröffentlichung
nicht des zweiten, sondern des ersten Prospekts, auf
Grund dessen nur die Besitzer der damit ein geführten
alten Aktien Schadenersatzansprüche erheben konnten;
diesen Ansprüchen ist aber durch die in § 4411 ge-
währte facultas alternativa eine positive Grenze ge-
setzt, die freilich in einem Fall wie dem vorliegenden
als recht unbillig empfunden werden mag.
Aus dem sonstigen Inhalt des Bandes seien
folgende Entscheidungen hervorgehoben.
Nr. 5, Urt. v. 2. Juli 1912, S. 27, stellt fest, daß
die Verpflichtung, die § 618 I BGB. dem Dienst-
herrn beim Dien st vertrag auferlegt, auch für den
Besteller beim Werkvertrag bestehe, folgert
dies aber aus dem allgemeinen Grundsatz des § 242
und geht so der prinzipiellen Entscheidung darüber
aus dem Wege, ob und inwieweit gewisse Grund-
sätze des Dienst Vertragsrechts entsprechend auch
auf den Werkvertrag anzuwenden seien. Diese
Zurückhaltung des obersten Gerichtshofs ist ver-
ständlich, wird aber auf die Dauer doch aufgegeben
und die Scheidewand, die das BGB. zwischen den
beiden Unterarten des Arbeitsvertrages künstlich auf-
gerichtet hat, niedergerissen werden müssen.
In Nr. 7, Urt. v. 3. Juli 1912, S. 30, wird mit
m. E. überzeugenden Gründen ausgeführt, daß die
Aufrechnung einer gegen den Vor erben persönlich
gerichteten Forderung wider eine von diesem geltend
gemachte Erbschaftsforderung unstatthaft sei.

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