Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

18.3. Justizstatistik

18.3.1. Die Tätigkeit der Schiedsmänner in Preußen im Jahre 1912

18.3.2. Ergebnis der ersten juristischen Prüfung in Preußen

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XVIII. Jahrg. Deutsche J u r i s t e n - Z e i t u n g. 1913 Nr. 12,

verpflichtet, das Gesetz entweder in französischer
Sprache oder übersetzt einzuführen. Deutschland
hat das letztere getan. Die Uebersetzung ist gemeinsam
mit Oesterreich und der Schweiz erfolgt. Auch
das ist ein Stück der Vereinheitlichung des Rechts.
Die Uebersetzung vermeidet tunlichst fremdsprach-
liche Bestandteile. Statt des Akzeptanten erscheint
der Annehmer, statt des Regresses der Rückgriff usw.
Solche Wahrungen der Eigenart dürfen ruhig
neben dem Weltrecht bestehen.
Der Verband der deutschen Exporteure
hat seinen Jahresbericht für 1912 hier ausgegeben.
Auch hier muß dem Juristen die Lektüre angeraten
werden. Er lernt nicht nur ein Stück des deutschen
Welthandels kennen. Er erfährt auch etwas von
den Beschwerden des Ausfuhrbetriebs. Es besteht
ein Kampf zwischen den Exporteuren und -den Fabri-
kanten. Auch diese sind in Verbänden zusammen-
geschlossen. Je stärker diese Vereinigungen, desto
größer die Neigung, allgemeine Bedingungen für
Verkauf und Lieferung zu schaffen. Der Exporteur
aber braucht Anpassung an die Besonderheit seines
Geschäfts und die Gegend, in die er liefert. Die
Exporteure klagen dann über die Strenge der Ausfuhr-
verpflichtungen. Den Fabrikanten sind sie unent-
behrlich. Man sieht überall, wie die wirtschaftlichen
Momente die rechtliche Gestaltung der Vertrags-
verhältnisse beeinflussen. Es entstehen typische
Erscheinungen. Der wirtschaftlich Stärkere gibt ihm
das Gepräge.
Hamburg ist einer der wenigen deutschen
Bundesstaaten, der keine Assessoren als Hilfs-
richter kennt. Die Gerichtsbarkeit kann nur durch
festangestellte Richter ausgeübt werden, ln dieses
System soll eine Bresche gelegt werden. Es wird
in der Bürgerschaft die Zulassung der Assessoren
als Grundbuchrichter beantragt. Es ist zu hoffen,
daß Hamburg von der grundsätzlichen Fernhaltung
der Hilfsrichter nicht abgeht.
Rechtsanwalt Dr. Hachenburg, Mannheim.

Justizstatistik.
Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident
Lindenberg, Posen.
Die Tätigkeit der Schiedsmänner in Preußen
im Jahre 1912. Die rückläufige Bewegung in der Zahl
der vor die Schiedsmänner gebrachten bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten, die seit mehreren Jahrzehnten
beobachtet ist, hat auch im Jahre 1912 noch angehalten.
Allerdings ist die Abnahme nur sehr gering gewesen, dies
aber deshalb, weil die Zahl allmählich schon einen Stand
erreicht hatte, der einen erheblichen Rückgang überhaupt
ausschließt. Im ersten Jahre der allgemeinen Einführung des
Instituts der Schiedsmänner (1880) wurden 90760 bürgerliche
Rechtsstreitigkeiten gezählt, im Jahre 1882 war die Zahl
bereits auf 77 831 gesunken, i. J. 1892 betrug sie nur
noch 24 769, i. J. 1902 9576 und i. J. 1912 erreichte sie
den niedrigsten Stand mit 4518, nachdem sie ein Jahr
zuvor 4637 betragen hatte, so daß seit dem Bestehen
des Instituts ein Rückgang auf weniger als ein
Zwanzigstel erfolgt ist. Man ist also vollauf berechtigt zu
sagen, daß die Schiedsmänner als Vergleichsbehörde in
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gänzlich versagt haben und
zurzeit gar keine Rolle mehr spielen. Denn gegenüber den
mehr als 2 Millionen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die
bei den Gerichten jährlich anhängig werden, haben die

4518 Sachen, die vor die Schiedsmänner kamen, auch nicht
die geringste Bedeutung. Daß die Autorität der Schieds-
männer wesentlich zurückgegangen ist, zeigt sich auch
darin, daß im Jahre 1882 in 77,1 % aller Sachen beide
Parteien vor dem Schiedsmann erschienen, i. J. 1902 nur
noch in 65,0%. i. J. 1911 in 62,4 % und i. J. 1912 in
61,2 %. Durch Vergleich sind erledigt 44,1 % aller Sachen
gegen 45,8 % i. J. 1911 und 48,0% i. J. 1902. Die
18 437 Schiedsmänner haben im Berichtsjahr im ganzen
nur 1992 bürgerliche Rechtsstreitigkeiten durch Vergleich
geschlichtet, so daß nicht einmal auf jeden neunten Schieds-
mann ein Vergleich entfällt. Dabei ist noch zu berück-
sichtigen, daß in einer vermutlich nicht geringen Zahl von
Fällen die Parteien schon in Einigkeit vor dem Schieds-
mann erscheinen, lediglich zu dem Zwecke, um in einem
vor diesem abgeschlossenen Vergleich einen vollstreckbaren
Titel zu erhalten. Die Tätigkeit der Schiedsmänner als
Vergleichsbehörde bei Beleidigungen und Körper-
verletzung wird insofern durch gesetzliche Bestimmungen
gefördert, als nach § 420 StrPO. die Erhebung der Privat-
klage wegen Beleidigung, wenn beide Parteien in dem-
selben Gemeindebezirk wohnen, erst zulässig ist, nachdem
der Schiedsmann die Sühne erfolglos versucht hat.
Andere Fälle als diese obligatorischen werden sehr selten
vor die Schiedsmänner gebracht werden, so daß hier das
Schwanken der Ziffern und ihr verschiedenes Verhalten in
den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken hauptsächlich
einen Beweis abgibt für die steigende oder sinkende
Neigung, Ehrverletzungen zum Austrag vor der Behörde
zu bringen und für die in den einzelnen Teilen der
Monarchie mehr oder weniger vorhandene Tendenz zu
Beleidigungen. Im allgemeinen schwankt die Zahl der
Beleidigungen und Körperverletzungen, die vor den Schieds-
mann gebracht werden, hin und her und zeigt im Laufe
der Jahrzehnte nur eine geringe Steigerung, die der der
Bevölkerung nicht entspricht. Im Jahre 1880 kamen
196 747 derartige Sachen vor die Schiedsmänner, im
Jahre 1902 waren es 195 613, im Jahre 1909 207 319,
i. J. 1910 215 806, i. J. 1911 220 974. Nach der ziemlich
erheblichen Steigerung der voraufgegangenen beiden Jahre
ist i. J. 1912 ein Rückgang um 2867 auf 218 107 erfolgt,
der zur Hälfte auf den Kammergerichtsbezirk entfallt, wo
eine Abnahme von 33 915 auf 32 380 Sachen erfolgt ist.
Auch in dem Oberlandesgerichtsbezirk Breslau, der sich
stets durch eine große Zahl von derartigen Sachen hervor-
tut, hat eine Abnahme von 35 306 auf 34 619 stattgefunden,
ebenso im Bezirk Naumburg eine solche von 22 618 auf
21605 und im Bezirk Posen von 12 055 auf 11376. Da-
gegen zeigen die Bezirke Düsseldorf, Frankfurt a. M. und
Hamm eine einigermaßen erhebliche Zunahme. Der Anteil
der Sachen, in denen beide Teile zur Sühneverhandlung
erschienen sind, ist auch bei den Beleidigungen usw. ge-
sunken, Er betrug i. J. 1882 66,9 %, i. J. 1902 nur noch
50,6 % und in den beiden letzten Jahren je 47,4 %. Im
Jahre 1882 wurden 39,5% aller Sachen durch Vergleich
erledigt, i. J. 1902 nur 30,9 %, i. J. 1911 29,0% und
i. J. 1912 28,5 %. Wir stoßen also auch hier auf einen
entschiedenen Rückgang des Erfolges der schiedsmännischen
Tätigkeit, der seinen letzten Grund in dem sinkenden
Ansehen der Schiedsmänner hat. Letzteres zu schützen
und zu stärken, wird wohl das wesentlichste Erfordernis
der unausbleiblichen Re form des Schiedsmännerinstituts sein.
Ergebnis der ersten juristischen Prüfung in
Preußen. Im „Statistischen Jahrbuch für den preußischen
Staat“ werden summarische Angaben über die Referendar-
prüfungen veröffentlicht, die in dem soeben erschienenen
Jahrgang 1912 die Zeit bis Ende 1911 umfassen. Wir
entnehmen daraus folgende Zahlenreihe:

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