Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 12.

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rührung bringt, hat doch wohl bessere (Ge-
legenheit, ein sachliches und zutreffendes Urteil
über die Verhältnisse und Bedürfnisse der Zeit
zu gewinnen, als Angehörige der meisten an-
deren Berufsklassen. In seinem, oft eng um-
schriebenen Interessenkreise wird der Hand-
werker und der Gewerbetreibende — aber
auch der Arzt und der Philologe, der Kauf-
mann und der Industrielle besser Bescheid
wissen — weiten Blick für das Allgemeine und
Verständnis für andere Verhältnisse werden
nur vereinzelte hervorragende Intelligenzen
besitzen.
Die Justizverwaltung bemüht sich wie
in Preußen so jetzt auch in allen Bundes-
staaten, durch Einrichtung praktischer Kurse
und durch Urlaub zur Fortbildung auf
praktischen Gebieten die Lebenserfahrung
der jüngeren Juristen zu vermehren. An vielen
Universitäten und Akademien sind längere
und kürzere Fortbildungskurse eingerichtet.
Die preußische Justizverwaltung gewährt all-
jährlich jüngeren Richtern und Assessoren
Urlaub und sogar Beihilfen zur Teilnahme.
Auch die Vereinigungen, in welchen sich
die deutschen Juristen zusammengeschlossen
haben: der Deutsche Juristentag, der
Deutsche Richterbund, der Deutsche
Anwaltverein und der Notarverein, be-
tonen in Schrift und Wort, daß nicht nur gute
juristische Ausbildung, sondern auch Lebens-
erfahrung und Weltkenntnis zu gedeihlicher
Rechtsanwendung notwendig ist, und der
Verein: »Recht und Wirtschaft« bringt
diese Forderung bereits in seinem Namen zum
Ausdruck.
So dürfen wir mit Sicherheit hoffen, daß
der deutsche Richter der Zukunft, viel-
leicht noch mehr als heute, volles Ver-
ständnis für die Wirklichkeiten des Lebens
haben wird.
Viel umstritten ist die Frage der juristi-
schen Ausbildung. Bei der Verschiedenheit
der Anschauungen bereitet sie große Schwierig-
keiten. Aber ist denn die jetzige Ausbildung
so schlecht, daß ihre schleunige Aenderung
erfolgen muß, ehe noch die Anschauungen
sich geklärt und sich genähert haben? Das
wird man sicher verneinen dürfen. In den
Prüfungen wird heute viel mehr gefordert als
vor 25 Jahren, und vor allem wird mehr auf
Urteilskraft und gute Schulung juristischen
Denkens gesehen. Es ist jedenfalls nur eine
kleine Zahl, der es gelingt, ohne den Besitz
der nötigen Kenntnis oder der erforderlichen

juristischen Befähigung die Skylla und Gharyb-
dis der beiden Staatsprüfungen zu umsegeln.
Diesen wenigen aber versagt der Staat
die Anstellung, da sie in der selbständigen
Berufsanwendung bald versagen. Es ist auch
zu bezweifeln, ob diese wenigen oder die
in den Prüfungen Scheiternden bei einer wie
immer gearteten anderen Ausbildung ein
besseres Ergebnis erreicht hätten.
Die Ausbildung der Studierenden und
der Referendare dürfte daher einer über-
eilten Aenderung jedenfalls nicht bedürfen.
Dagegen sind wirksame Maßnahmen nötig,
um möglichst früh Ungeeignete und nicht
genügend Befähigte auszuschließen. Alle ver-
ständigen Anordnungen der Justizverwaltung
bleiben aber nutzlos, solange eine zu weit-
gehende mitleidige Nachsicht ihre Wirksamkeit
hemmt.
An tüchtigen Richtern wird es auch bei
weiter gesteigerten Anforderungen nicht man-
geln. Nicht der Mangel ist zu besorgen,
sondern der Ueberfluß. Trotz aller Warnungen
nimmt er nicht ab. Die beklagenswerte Folge
ist, daß zahlreiche, an sich verwendbare und
dessen sich bewußte Juristen nicht die er-
sehnte Anstellung als Richter finden und die
Schar der Unzufriedenen vermehren. Die
Justizverwaltung sucht natürlich zur Anstellung
die Tüchtigsten und Geeignetsten aus. In
großer Zahl strömen die Zurückgewiesenen
dem Anwaltstande zu, der sich ihnen leider
nicht verschließen kann. Dieser unerwünschte
Zuwachs, der auch geeignet ist, das gute Ver-
hältnis und die gegenseitige Wertschätzung
zwischen Richtern und Anwälten und damit
eine der bedeutsamsten Voraussetzungen für
eine gedeihliche Rechtspflege zu gefährden,
gehört nicht in den Stand der Anwälte,
der an Ansehen und Tüchtigkeit dem
Richterstande auch künftig gleichgestellt
bleiben soll.
Die preußische Justizverwaltung unter der
ruhigen, sicheren und zielbewußten Führung
ihres jetzigen Leiters bemüht sich, dem Richter
in den mittleren Beamten in weiterem Um-
fang als früher Hilfe in solchen Geschäften
zu gewähren, die eine akademische juristi-
sche Ausbildung nicht voraussetzen. Da-
durch gewinnt der Richter mehr Zeit für die
wichtigeren Aufgaben seines Berufs. Das ist
dankbar zu begrüßen, auch aus dem Grunde,
weil es den Stand der mittleren Justizbeamten
hebt und seine Tätigkeit befriedigender ge-
staltet.

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