Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 10.

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Gerichtshof ausgesprochen worden, dadurch, daß jemand auf
Grund einer bedingten Baugenehmigung gebaut habe, sei
die Baubedingung noch nicht völlig unanfechtbar ge-
worden. Hiermit geraten die vorstehenden Ausführungen
gleichfalls nicht in Widerspruch. Denn es ist dort nur
von Baubedingungen die Rede, und nirgends ist vom
Gerichtshof ausgesprochen worden, daß eine in einer Bau-
erlaubnis enthaltene Auflage auch dann noch angefochten
werden dürfe, wenn derjenige, dem sie gemacht worden
ist, sich in der Weise, wie es im vorliegenden Falle von
der Kiäg. geschehen ist, mit ihr einverstanden erklärt und
ihr unterworfen hat. (Urt. IV. B. 41/12 v. 24. Okt. 1912.)
Kraftfahrzeuge. Kennzeichen. Die BundesratsVo.
v. 3. Febr. 1910 stellt besondere Anforderungen für das
den Kraftfahrzeugen von der höheren Verwaltungsbehörde
zuzuteilende Kennzeichen auf, die in den §§ 8 — 13 a. a. O.
in sehr eingehender Weise näher angegeben sind. Nach
dem klaren Wortlaute des § 26 Abs. 2 und nach der
Ueberschrift vor dem § 26: „Untersagung des Betriebs“
sind die Befugnisse, welche bei einem Mangel der er-
forderlichen Beschaffenheit die höhere Verwaltungsbehörde
haben soll und hat, fest und alles weitere ausschließend
begrenzt, d. h. die Behörde kann nur die Ausschließung
des nicht vorschriftsmäßigen Kraftfahrzeugs vom Befahren
der öffentlichen Wege und Plätze verfügen, den Betrieb
untersagen, nicht aber irgendetwas anderes oder mehr,
also namentlich nicht die Beseitigung von unzulässigen
Dingen am Kraftfahrzeug oder die sonstige Herstellung
eines vorschriftsmäßigen Zustandes des Kraftfahrzeugs
verlangen. (Urt. IV. A. 21/12 v. 24. Okt. 1912.)
B. V. u. VI. Senat (Staatssteuersachen).
Mitgeteilt von Oberverwaltungsgerichtsrat Mrozek, Berlin.
Einkommen st euer Sachen.
Arbeitsverdienst. Quellenänderung. So wenig bei
gewöhnlichen Gewerbegehilfen ein Wechsel des Arbeit-
gebers oder eine vorübergehende Arbeitslosigkeit eine
wesentliche Aenderung der Einkommensquelle bedeutet,
so wenig kann der Uebergang von der Akkordarbeit zur
Zeitarbeit, wenn damit auch eine Verminderung des Arbeits-
verdienstes verbunden ist, als eine wesentliche Quellen-
änderung angesehen werden. (Urt. V. Sen. Rep. III 65/12
v. 23. Okt 1912.)
Veranlagung der Witwe. Wird eine Steuerpflichtige
wegen des im letzten Monate vor Beginn des Steuerjahrs
erfolgten Ablebens ihres Ehemanns noch im Laufe des
Steuerjahrs selbständig zur Einkommen- und Ergänzungs-
steuer veranlagt, so hantelt es sich um eine Nachholung
der ordentlichen Veranlagung, die von der Veranlagungs-
kommission zu bewirken ist. (Urt. VI. Sen. E XIII d
7/12 v. 26 Okt. 1912.)
Subjektive Steuerpflicht. Preußische Staatsangehörige
bleiben nach ihrem Verzüge ins Ausland noch zwei Jahre
steuerpflichtig, auch wenn sie vorher nicht zur Einkommen-
steuer veranlagt waren. (Urt. V. Sen. Rep. IV A 171/12
v. 2. Nov. 1912.)
Bayerisches Oberstes Landesgericht
in München.
Zivilsachen.
Mitgeteilt von Staatsrat i. ord. Dienste Dr. v. Henle, München.
Zulässigkeit der Beteiligung einer G. m. b. H. an
einer Kommanditgesellschaft. Eine G. m. b. H. kann
Teilhabei einer offenen Handelsgesellschaft und auch
Komplementär einer Kommanditgesellschaft sein. (Beschl.
I. ZS. Reg III. 12/12 v. 16. Febr. 1912 )*)
Anwendbares Recht auf einen Vertrag über die
Beförderung aus dem Ausland in das Inland. Haftung
des Fahrtunternehmers für seine Leute. Für obliga-
torische Rechtsgeschäfte, die von einem Deutschen im
Ausland mit einem Ausländer geschlossen sind, ist das-
jenige Recht maßgebend, welchem sich die Parteien aus-
drücklich oder stillschweigend unterworfen haben. Wenn
es sich um die Beförderung eines Ausländers aus dem

Auslande nach einem deutschen Orte handelt, der Unter-
nehmer der Fahrt ein Deutscher ist und im Deutschen
Reiche wohnt, die Fahrt mit seinem Fuhrwerk durch einen
in seinem Dienste stehenden Wagenführer ausgeführt und
der Fahrpreis in deutscher Währung bestimmt wurde, so
ist anzunehmen, daß die Vertragschließenden stillschweigend
das Rechtsgeschäft dem deutschen Recht unterstellt haben.
Wenn der Reisende auf der Fahrt durch die Fahrlässigkeit
des Wagenführers einen Unfall erleidet, so hat für dessen
Folgen der Unternehmer der Fahrt in demselben Umfang
einzustehen wie der Bedienstete. (§§ 631 ff., 278 BGB.
(Urt. I. ZS. Reg. I. 164/11 v. 8. März 1912.)
Anwendbares Recht auf Rechtsverhältnisse zwischen
ausländischen Eltern und ihren Kindern. Der Art. 23
des EG. z. BGB. bezieht sich nicht auf die dem Vorm-
Gericht nach § 1635 Abs. 1 S. 2 BGB. eingeräumte Be-
fugnis. Wenn sich im Verfahren nach § 1635 Abs. 1 S. 2
Bedenken darüber ergeben, ob bei der Uebertragung der
Sorge für die Person des Kindes an den nicht fürsorge-
berechtigten Elternteil das Wohl des Kindes gefährdet
werde, so darf die Sorge für die Person des Kindes ihm
nur übertragen werden, wenn vorher festgestellt wurde
oder gleichzeitig festgestellt wird, daß die Bedenken grundlos
sind; es muß sohin mit dem Verfahren das Verfahren nach
§ 1666 BGB. verbunden werden. (Beschl. I. ZS. Reg. III.
14/12 v. 13. März 1912.)
Braunschweigischer Verwaltungsgerichtshof.
Mitgeteilt vom Präsidenten Haßei, Braunschweig.
Erlaubniserteilung zum Kraftfahrzeugführer bei
Mängeln der Sehfähigkeit. Geringe Mängel der Sehfähig-
keit bei dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen können durch ge-
eignete Vorkehrungen derart abgeschwächt werden, daß
ihr Vorhandensein der Erlaubniserteilung zum Kraftfahr-
zeugführer nicht entgegensteht. Ob das Sehvermögen der
Erlaubnis entgegensteht, ist für jeden Einzelfall besonders
zu prüfen. Die Anleitung zur amtsärztlichen Untersuchung
ist nicht rechtsverbindlich, sondern für den inneren Dienst
der Medizinal- und Polizeibehörden eine Erläuterung des
Aufgabenkreises der ärztlichen Gutachter bei Abfassung
des Zeugnisses nach I3 der Anlage B der BundesratsVo.
v. 3. Febr. 1910. (Urt. v. 15. Mai 1912.)
Entziehung der Fahrerlaubnis eines Kraftfahrzeug-
führers wegen Eigentums vergehen ist nach Anl. B zu
§ 14 der nach § 6 des Ges. erlassenen BundesratsVo. v.
3. Febr. 1910 zulässig, woselbst schwere Eigentumsvergehen
als Tatsachen aufgeführt sind, die Unzuverlässigkeit ergeben;
es fehlt dem wegen solcher Straftaten Verurteilten das
Pflicht- und Verantwortungsgefühl, sowie der Wille, die
öffentliche Ordnung und das Eigentum der Mitmenschen
zu achten; er darf nicht zu verantwortungsvoller Tätigkeit
auf offener Straße zugelassen werden, auch wenn die
nachgewiesene Tatsache ganz außerhalb seines Gewerbe-
betriebes liegt. (Urt. v. 26. Juni 1912.)
Oberlandesgericht Kolmar.
Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Diefenbach, Kolmar.
Zur Auslegung der §§ 41, 43 des Reichsgesetzes
über die Versorgung der Personen der Unterklassen
des Reichsheeres. Die Gerichte, bei welchen der Militär-
fiskus geltend macht, daß der Anspruch einer Militärperson
auf Schadensersatz gegen einen Dritten infolge eines ihm
durch dessen Verschulden zugestoßenen Unfalls gemäß § 41
des Gesetzes v. 31. Mai 1906 insoweit auf ihn übergegangen
sei, als er der Militärperson eine Entschädigung wegen
Dienstbeschädigung, als welche sich der Unfall darstelle,
nach diesem Gesetze gewährt habe, haben zwar selbständig
nachzuprüfen, ob die Militärbehörde nach Lage des Falles
zur Gewährung einer Entschädigung gesetzlich überhaupt
verpflichtet war; hierbei sind aber die Gerichte bezüglich
der Frage, ob der Unfall eine Dienstbeschädigung
der verletzten Militärperson enthalte, an die diesbezügliche
Entscheidung, welche die oberste Militärverwaltungsbehörde
gemäß § 43 des Gesetzes getroffen hat, gebunden. (Urt.
1. Ziv.-Sen. I. U. 16/11 v. 19. Januar 1912.)

0 S. die Besprechung der Entsch. durch Hachenburg, S. 53 d. Bl.

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