15.6.5.
Die sachliche Zuständigkeit bei Ansprüchen aus § 4 des preuß. Beamtenhaftpflichtgesetzes
(RA. Dr. Bartmann)
15.6.6.
Pauschale des Anwalts und Schreibgebühren des Gerichtsvollziehers im Falle des § 829 Abs. 2 ZPO.
(RA. Dr. Fränkel)
581
XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 9.
582
Oder soll man etwa deshalb, weil es hin und wieder
einmal einer besonders tüchtigen Schiedsinstanz gelingen
könnte, einen Vergleich zustande zu bringen, sämtliche
Prozesse dieser Verzögerung unnötigerweise unterwerfen?
Eine Abnahme der Rechtsstreitigkeiten würde sich unter
diesen Umständen bei den Gerichten kaum bemerkbar
machen, und der Sühneversuch würde, wie in Frankreich, zu
einer lästigen Formalität herabsinken. Um das zu er-
reichen, lohnt es wirklich nicht, das Institut einzuführen.
3. Unsere Erfahrungen bei dem in der Gesindeordnung
vorgeschriebenen polizeilichen Sühneversuch dürften auch
kaum eine weitere Einführung des Sühne Verfahrens recht-
fertigen, und an sich wäre doch gerade diese Instanz in
den fraglichen Streitigkeiten besonders zur Anbahnung
eines Vergleichs geeignet.
4. Falls Mißstände obwalten sollten, kann m. E. nur
der Richter selbst ihnen abhelfen, indem er stets, soweit
es irgend möglich ist, die Versöhnung der Parteien im
Auge behält. Er mag häufiger, als es vielleicht bis jetzt
geschieht, ihr persönliches Erscheinen anordnen und mit
ihnen die Rechtslage sowie die Eventualitäten des Prozesses
als ihr juristischer Berater erörtern. Das erfordert gewiß
großen Takt, weil der Richter eventuell selbst zur Ent-
scheidung berufen ist, so daß er vorher eingehend prüfen
muß, ob denn überhaupt ein Vergleich denkbar ist. Ab-
gesehen davon, scheinen sich viele Richter zu sträuben,
zum Vergleich zu raten, einmal, weil sie glauben, nicht
als Vergleichsinstanz, sondern zum Erlaß eines Urteils an-
gerufen worden zu sein, und sodann, weil sie annehmen,
sie könnten in den Verdacht kommen, als wollten sie ein
Urteil ersparen. Hier müßte aufklärend gewirkt werden,
und dann hätten wir, ohne das Verfahren zu verlangsamen,
eine Sühneinstanz, die es in den Fällen, die sich zum
Vergleich eigenen — wohlgemerkt nur in diesen — in
der Hand hat, den Versuch einer gütlichen Beilegung des
Rechtsstreites anzubahnen. Wenn doch ein Jurist hierfür
notwendig sein soll, weshalb sollten diese Aufgabe nicht
die Richter erfüllen können? Daß die Parteien auch
während des Prozesses durchaus nicht abgeneigt sind,
durch Vergleich den Rechtsstreit zu beenden, wenn sie in
der geeigneten Form darauf hingewiesen werden, wird mir
jeder Praktiker bestätigen, der dieser Erscheinung seine
besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat.
Amtsrichter Dr. Haeger, Angerburg.
Die sachliche Zuständigkeit bei Ansprüchen aus
8 4 des preuß. Beamtenhaftpflichtgesetzes. Bekannt-
lich treffen nach dem preuß. Gesetz v. 1. Aug. 1909 Haftpflicht-
ansprüche aus § 839 BGB. nicht mehr den Beamten, son-
dern an dessen Stelle den Staat, bzw.nach §4 den Kommunal-
verband, falls der Beamte für den Dienst des Kommunal-
verbandes — nicht etwa nur von ihm — angestellt ist.
Nach § 70 GVG. in Verb, mit § 39 pr. AusfG. z.
GVG. sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert
des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig für die
Ansprüche gegen den Landesfiskus wegen Verschuldens
von Staatsbeamten bei amtlichem Verhalten. Ist diese
ausschließliche Zuständigkeit nun auch gegeben für die
Ansprüche gegen Kommunalverbände wegen Verschuldens
von mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten, die für
ihren Dienst angestellt sind?
Obwohl die Kommunalverbände im § 70 GVG. nicht
genannt sind, dürfte diese Frage im Gegensatz zu Delius1)
aus folgenden Gründen zu bejahen sein.
Nach dem von Delius angeführten Erkenntnisse des
Reichsgerichts ist der Zweck der Ausnahmevorschriften
9 Die Beamtenhaftpflichtgesetze, 2. Aufl. Berlin 1909. S. 349.
des § 70 Abs. 2 u. 3 GVG. der, daß für gewisse An-
sprüche, welche das Grenzgebiet des öffentlichen und des
Privatrechts betreffen, für Ansprüche, welche neben der
privatrechtlichen eine staatsrechtliche Seite haben, eine
gleichmäßige Beurteilung der Rechtsfrage gewährleistet
werde. Diese Erwägung trifft ohne weiteres auch auf die
Ansprüche aus dem § 4 a. a. O. zu.
Vor Inkrafttreten des preuß. Beamtenhaftpflichtgesetzes
trafen die Regreßansprüche aus § 839 BGB. nicht Staat
und Kommune, sondern den Beamten selbst. Deshalb
genossen sie nach § 39 pr. AG. z. GVG. das Privileg des
§ 70 GVG. Die Regreßansprüche, welche heute nur mehr
gegen Staat oder Kommune gerichtet werden können, sind
ganz genau die gleichen wie früher, auch sie müssen nur
die Voraussetzungen des § 839 BGB. erfüllen. Weshalb
sollten die Gemeinden nicht das gleiche Privileg der aus-
schließlichen Zuständigkeit der Landgerichte haben? Weil
sie noch nicht hafteten, konnte das GVG. und das pr.
AG. GVG. dieselben noch nicht erwähnen; es ist dies
aber auch nicht notwendig, da die Ansprüche selbst
erwähnt sind. Wäre man nicht unserer Ansicht, so
hätte Ziffer 3 des § 39 pr. AG. z. GVG. fast keine Be-
deutung mehr.
Es ist ferner zu berücksichtigen, daß Staat und Kommune
nach § 3 bzw. § 4 des Ges. sich an dem Beamten schadlos
halten können. Für Klagen hierauf ist zweifellos § 70
GVG. gegeben. Es wäre nun doch für die Kommunen
eine Zurücksetzung gegenüber ihren eigenen Beamten,
wenn diese das Privileg des § 70 GVG. genössen, die
Kommunen selbst aber wegen der gleichen Ansprüche bei
Objekten unter 600 M. beim Amtsgericht Recht suchen
müßten, bei einem Beschwerdegegenstand unter 4000 M.
das Reichsgericht nicht anrufen könnten.
Für unsere Ansicht spricht endlich auch das Reichs-
beamtenhaftpflichtgesetz v. 22. Mai 1910, das im wesent-
lichen mit dem preuß. Gesetze wörtlich übereinstimmt.
Da § 70 GVG. Ansprüche gegen den Reichsfiskus nicht
erwähnt, diese vielmehr in den einzelnen Beamten- und
Pensionsgesetzen den Landgerichten als ausschließlich zu-
ständigen Gerichten überwiesen sind, so mußte § 3 dies
für die Beamtenhaftpflichtansprüche ausdrücklich bestimmen.
Dadurch, daß § 4, welcher die Haftpflicht der Schutzgebiete
und deren Kommunalverbände regelt, auf § 3 Bezug nimmt,
ist auch hier die ausschließliche Zuständigkeit der Land-
gerichte völlig klargestellt. Was aber den Kommunal-
verbänden der Schutzgebiete billig ist, ist es doch sicher
den preußischen Gemeinden.
Offenbar nur deshalb, weil man wegen eines preußischen
Gesetzes nicht die ganze Gesetzgebungsmaschine des
Reiches für eine Aenderung des § 70 GVG. in Gang
bringen wollte, ist eine ausdrückliche Klarstellung bez.
der preußischen Gemeinden nicht erfolgt. Sie erübrigt
sich aber auch bei sinngemäßer Auslegung.
Rechtsanwalt Dr. Bartmann, Dortmund.
Pauschale des Anwalts und Schreibgebühren
des Gerichtsvollziehers im Palle des § 829 Abs. 2
ZPO. Es ist eine weitverbreitete Praxis der Amts-
gerichte, daß bei Erlaß eines Pfändungs- und Ueber-
weisungsbeschlusses die Ausfertigung des Beschlusses von
dem Gerichtsschreiber ohne besonderen Auftrag des
Gläubigers an den Gerichtsvollzieher zur Zustellung ge-
geben wird, und daß die für die Zustellung erforderlichen
Abschriften des Beschlusses von dem Gerichtsvollzieher
gefertigt werden. Hierdurch entstehen Schreibgebühren,
welche, wenn es sich wie z. B. bei Pfändung von Miets-
forderungen um eine größere Anzahl von Drittschuldnern