Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 6.

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sammenhang des Testaments ergab sich, daß der Testaments-
vollstrecker zu Lebzeiten einer Vorerbin die Verwaltung
für diese, bei Eintritt des Nacherbefalls die Auseinander-
setzung unter den Beteiligten vorzunehmen hatte. Bekl.
behauptet, die als Vorerbin eingesetzte Witwe habe schon
zu Lebzeiten durch notariellen Vertrag das Nachlaß vermögen
unter die Nacherben und die Vermächtnisnehmer verteilt.
Die Ausführung der Verteilung sei in dem Vertrage von
anderen Personen als dem Testamentsvollstrecker über-
nommen worden. Das LG. hat die Klage abgewiesen,
weil das Amt nicht angetreten, das BerGer., weil es er-
ledigt sei; das RG. hat aufgehoben. Bekl. habe das Amt
angenommen. Er habe zwei Eingaben an das Nachlaß-
gericht gemacht, in denen er unter Berufung auf sein Amt
als Testamentsvollstrecker Anträge auf Erteilung von Ab-
schriften von Urkunden stellte. Hierin sei mehr als eine
bloß schlüssige Handlung zu erblicken, die allerdings zur
Annahme des Amtes nicht genüge. Es liege eine gegen-
über dem Nachlaßgericht abgegebene Erklärung vor, die
zwar nicht in dem Sinne eine ausdrückliche sei, daß sie
gerade darauf abziele, den Willen der Amtsübernahme zum
Ausdruck zu bringen, die aber doch, wenn auch in anderem
Zusammenhänge, diesen Willen genügend zum Ausdruck
bringe. Zu Unrecht nehme sodann das BerGer. an, daß
das Amt des Bekl. erledigt sei. Zwar sei zur Beendigung
nicht eine förmliche Niederlegung durch den Testaments-
vollstrecker erforderlich, vielmehr ergebe sich aus der
Natur der Sache, daß die Erledigung seiner Aufgaben die
Beendigung des Amtes nach sich ziehen müsse. Es sei
auch nicht nötig, daß der Testamentsvollstrecker die Er-
ledigung seiner Aufgabe dem Gericht gegenüber anzeige.
Die Aufgaben seien hier aber noch nicht erledigt. Die
Aufgaben, die ihm als Testamentsvollstrecker obgelegen,
hätten ihm nicht von den Erben entzogen und auf andere
Personen übertragen werden können. Nur ihm allein stehe
die Befugnis zu, über den Nachlaß zu verfügen, nur von
ihm könne die Weiterführung von Geschäften an andere
Personen übertragen werden. Damit könne sich aber der
Testamentsvollstrecker nicht der ihm übertragenen Aufgabe
entziehen. Der Inhalt seines Amtes, der durch die An-
ordnungen des Erblassers festgelegt sei, könne nicht durch
die Zustimmung der Erbbeteiligten ohne weiteres geändert
werden. Durch die Uebertragung der Weiterführung seiner
Geschäfte auf andere Personen werde deshalb seine Auf-
gabe nicht beendet, sie erhalte nur eine andere Richtung.
Er müsse jetzt die mit der Weiterführung der Geschäfte
betrauten Personen überwachen, welche Verpflichtung bis
zur endgültigen Abwicklung der Auseinandersetzung dauere.
Ob diese erfolgt sei, stehe nicht fest. (Urt. IV. 496/12
v. 7. Jan. 1913.)
2. Strafsachen.
Mitgeteilt von Reichsgerichtsrat Zaeschmar, Leipzig.
Ausschluß der OÖffentlichkeit durch Verschluß der
Eingangstüren zum Sitzungssaal. Der Angeklagte ist
wegen schweren Diebstahls unter der Feststellung ver-
urteilt worden, daß er die Tat in gemeinschaftlicher Aus-
führung mit anderen begangen habe. Seine Revision
wurde verworfen. In der Haupt Verhandlung vor der Straf-
kammer sollte der Zeuge A unter anderem auch darüber
Auskunft geben, ob sich unter den im Zuhörerraum sitzenden
etwa 15 Personen der Komplice des Angekl. befände.
Während dieses Teiles der Verhandlung wurden auf An-
ordnung des Vorsitzenden die Türen des Sitzungssaales
vorübergehend geschlossen gehalten, um zu verhindern,
•daß die von dem Zeugen bezeichnte Person die Flucht
ergriffe. An der Tür des Zuhörerraumes blieb jedoch
während dieser Zeit ein Gerichts diener aufgestellt, welcher
Personen, die sich von draußen meldeten, Eintritt zu ge-
währen hatte. Die Revision führt aus, daß das Publikum,
das nicht gewöhnt sei, an der verschlossenen Tür eines
Sitzungssaales zu klopfen, annehme, daß die Oeffentlichkeit
ausgeschlossen sei. Es gelange in den Saal hinein, indem
es durch Hinunterdrücken der Klinke der Tür diese öffne.
Diese Darlegung geht fehl. Der Begriff der Oeffentlichkeit
der Verhandlung erfordert nicht, daß die Tür zum Ver-

handlungsraum sich auf den ersten Druck dessen, der ein-
treten will, öffnet. Das Hinunterdrücken der Klinke hatte
den an der Tür zum Zuhörerraum innen stehenden
Gerichtsdiener aufmerksam gemacht und zum Oeffhen der
Tür veranlaßt. Zutritt hatte also, wer eintreten wollte.
Unerheblich ist es, wie es sich mit der nicht in den Zu-
hörerraum führenden Saaltür verhalten hat. (Urt. II 944/12
v. 5. Nov. 1912.)
Fortsetzungszusammenhang zwischen Zolldefraude
und Zoll-Ordnungswidrigkeit. Der Angekl., der Gewerbe-
treibender im Grenzbezirke ist, hatte während eines län-
geren Zeitraumes Kaffee in größeren Mengen bezogen,
bezüglich desselben aber das nach § 124 Abs. 3 VerZollges.
angeordnete Kontrollbuch nicht geführt. Er wurde bezügl.
eines Teiles der verschiedenen Kaffeesendungen nach § 136
Nr. 7 a. a. O. wegen Zolldefraude bestraft, wegen des an-
deren Teiles sah das Gericht aber als nachgewiesen an,
daß der Angeklagte eine Defraudation nicht habe verüben
können oder eine solche nicht beabsichtigt habe (§ 137
Abs. 2 a. a. O.). Von Festsetzung einer Ordnungsstrafe
nach § 152 das. sah das Gericht jedoch auf Grund der
Erwägung ab, daß dem Angekl. nicht mehrere selbständige,
jeweils für sich die Voraussetzung eines Zollvergehens
erfüllende verbrecherische Handlungen zur Last liegen,
sondern nur ein fortgesetztes Zollvergehen, weil die ganze
Tätigkeit des Angeklagten bei dem Bezüge des Kaffees
sowohl in den Fällen, in denen Zollhinterziehung an-
genommen, als auch in den Fällen, in denen Zollhinter-
ziehung wegen Fehlens der Hinterziehungsabsicht verneint
ist, dem Willensentschlusse des Angeklagten entsprungen
sei, sich durch günstigen Einkauf und Verkanf von Kaffee
eine dauernde Erwerbsquelle zu verschaffen. Darin liegt
eine Verkennung der Voraussetzungen des Fortsetzungs-
zusammenhanges im strafrechtlichen Sinne. Hauptvoraus-
setzung für die Annahme eines solchen Zusammenhanges
ist die Feststellung eines einheitlichen „verbrecherischen“
d. h. auf die Begehung einer einheitlichen Straftat ge-
richteten Vorsatzes. Der „Willensentschluß, sich durch
günstigen Einkauf und Verkauf von Kaffee eine dauernde
Erwerbsquelle zu verschaffen“, ist überhaupt kein Vorsatz
solcher Art. Der Vorsatz der Zollhinterziehung aber, der
ein solches einigendes Band für den Fortsetzungszusammen-
hang bilden könnte, hat das Landgericht gerade für die-
jenigen Fälle, auf die es hier ankommt, verneint. Die Ab-
lehnung der Anwendung des § 152 VerZollges. ist des-
halb rechtswidrig. (Urt. V. 709/12. v. 19. Nov. 1912.)
Tatbestandsmerkmal als Strafschärfungsgrund. Der
Angekl. ist Besitzer einer Kiesgrube und hatte bei deren
Abbau die dafür gegebenen Vorschriften nicht beobachtet.
Durch herunterstürzende Erdmassen wurde ein Arbeiter
getötet. Der Angeklagte ist deshalb aus § 222 Abs. 2
StrGB. wegen fahrlässiger Tötung zu Strafe verurteilt
worden. Auf seine Revision wurde das Urteil hinsichtlich
des Strafausspruches unter Aufrechterhaltung des Schuld-
ausspruches und der diesem zugrunde liegenden Fest-
stellungen aufgehoben. In den Strafzumessungsgründen
findet sich ein Verstoß gegen § 222 StrGB. Dort wird
als straferschwerend der Umstand hervorgehoben, es sei
infolge der Fahrlässigkeit des Angeklagten ein Menschen-
leben vernichtet worden. Damit wird ein Tatbestands-
merkmal des § 222 StrGB., das bereits bei der Aufstellung
des gesetzlichen Strafrahmens berücksichtigt ist, nochmals
als Strafschärfungsgrund verwendet. Das ist unzulässig.
(Urt. III. 749/12 v. 21. Nov. 1912).
Kammergericht.
1. Zivilsachen.
Mitgeteiltgvom Senatspräsidenten Ring, Berlin.
Keine Löschung einer Handelsregistereintragung
wegen fehlerhafter Anmeldung. In das Handelsregister
waren bei einer Kommanditges. Kommanditisten eingetragen
worden, ohne daß bei der Anmeldung sämtliche Gesell-
schafter mitgewirkt hatten (§ 108 Abs. 1, § 161 Abs. 2
HGB.). Das RegG. leitete auf Ansuchen von einigen
der Kommanditisten das Verfahren behufs Löschung von
Amts wegen ein, erklärte aber demnächst den hiergegen

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