Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

10.4. Vermischtes

10.4.1. Vorschläge zur Besserung der Rechtspflege

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 4.

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haben sich die 1. Klasse dieser Auszeichnung erkämpft.
Das Eiserne Kreuz 2..Klasse am weißen Bande (für
Verdienste um das Rote Kreuz, Krankenpflege usw.) haben
34 Justizbeamte erhalten, darunter der damalige Justiz-
minister Dr. Leonhardt. Im ganzen zählen wir ein-
schließlich der Rechtsanwälte und der Referendare 358
höhere Justizbeamte, die mit dem Eisernen Kreuz
ausgezeichnet worden sind. Zu ihnen tritt nun noch eine
nicht geringe Zahl von dekorierten Personen, die den
Feldzug als Studenten oder Gymnasiasten mitgemacht
haben und erst später in den Justizdienst getreten sind.
Man wird nicht weit fehlgehen, wenn man ihre Zahl
auf 60 bis 70 schätzt, so daß im ganzen etwa 420 bis 430
höhere Justizbeamte das Eiserne Kreuz besessen haben.
Wie sich die entsprechenden Zahlen bei den mittleren
und unteren Beamten gestellt haben, die jedenfalls nach
dem Kriege einen starken Zuzug aus den Militäranwärtern
erhielten, weiß man nicht. Ebensowenig kann man bei
diesen Beamtenkategorien ohne amtliche Hilfsmittel fest-
stellen, wie viel Personen, die das Eiserne Kreuz besitzen,
zur Zeit noch im Dienst sind. Jedenfalls ist diese Zahl
verschwindend klein. Bei den höheren Justiz beamten
läßt sich dagegen auf Grund der Personallisten des Staats-
handbuchs auszählen, .daß zu Anfang d. J. noch 56 Per-
sonen im Bereich der Justizverwaltung vorhanden waren,
die das Eiserne Kreuz II. Klasse besaßen. An ihrer
Spitze steht der Justizminister Dr. Beseler. Von den
Oberlandesgerichtspräsidenten hat keiner das Eiserne Kreuz.
Verhältnismäßig zahlreich sind dagegen noch die Senats-
präsidenten, die diese Auszeichnung haben; es sind 9,
darunter allein 4 beim Kammergericht. Landgerichts-
präsidenten mit dem Eisernen Kreuz sind 6 vorhanden,
Landgerichtsdirektoren ebenfalls 6, Oberlandesgerichtsräte
nur 3, Landgerichtsräte 6, Amtsgerichtsräte 10. Der dem
Dienstalter nach jüngste Inhaber des Eisernen Kreuzes ist
noch Amtsrichter; er war früher aktiver Offizier und brachte
es bis zum Major, um dann noch zu studieren und in die
Justizlaufbahn einzutreten. Von der Staatsanwaltschaft
sind nur noch 3 Beamte, 2 Oberstaatsanwälte und 1 Erster
Staatsanwalt, im Besitze des Eisernen Kreuzes. Rechts-
anwälte mit dieser Auszeichnung sind 11 vorhanden; einer
von ihnen besitzt das Eiserne Kreuz am weißen Bande
und ist der einzige noch im Dienst befindliche Jurist, der
diese Dekoration für seine humanitäre Tätigkeit im Felde
erhalten hat. Von den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken
hat die weitaus meisten Inhaber des Eisernen Kreuzes
der Kammergerichtsbezirk mit 16; dann folgen die Bezirke
Hamm mit 7 und Breslau, Naumburg und Köln mit je 5,
während in Marienwerder, Stettin, Celle und Frankfurt
a. M. nur noch je 1 vorhanden war. Es sei auch
noch bemerkt, daß 2 dem Kaufmannsstande angehörende
Handelsrichter, einer in Berlin und einer in Köln, im
Besitze des Eisernen Kreuzes sind. Bei den juristischen
Fakultäten der preußischen Universitäten ist das Eiserne
Kreuz nur noch viermal vertreten. Es besitzen diese
Auszeichnung die ordentlichen Prof, der Berliner Universität:
Geh. Justizräte Dr. v. Gierke und Dr. Kahl, der
ord. Honorarprof. an der Univ. Halle Geh. JR. Dr.
v. Brünneck und der ordentl. Prof. Geh. JR. Dr. Loening
daselbst; letzterer hat die Auszeichnung am weißen Bande.

Vermischtes.
Vorschläge zur Besserung der Rechtspflege.
In der hessischen II. Ständekammer wurden Ende 1911
einige Anträge gestellt, die von allgemeinerem Interesse auch
für juristische Kreise in anderen Bundesstaaten sein dürften.

Da ist zunächst die Reform der Sitzungspolizei,
die bereits 1909 vom Landtag behandelt worden war.
Damals wurde behauptet, daß die bei Gerichtsverhandlungen
anwesenden — beteiligten oder unbeteiligten — Personen
dem Richtertisch zurzeit „nahezu rechtlos“ gegenüber-
ständen. Die mit Bericht gehörten Kollegialgerichte wiesen
diese Uebertreibung zurück und verneinten die Revisions-
bedürftigkeit der §§ 177 ff. GVG. um so mehr, als gerade
in den gegenwärtigen Zeiten, da die Autorität der Staats-
gewalt ständigen Angriffen ausgesetzt sei, es besonders
bedenklich erscheine, Aenderungen zu treffen, die den
Gerichten die Aufrechterhaltung ihres Ansehens erschweren
müßten. Die Regierungsantwort vom April 1909 billigte
diesen Standpunkt. Das Plenum der II. Kammer nahm
dagegen den Antrag seines Ausschusses an, wonach auch
in Fällen des § 178 GVG. Beschwerde zuzulassen und
im Falle des § 179 der Beschwerde aufschiebende
Wirkung (§ 183) beizulegen sei. Die I. Kammer trat
diesem Standpunkte nur zu § 178 bei, lehnte jedoch auch
hier die aufschiebende Wirkung ab. Auf den nunmehrigen
neueren Antrag erwiderte die Regierung im Juni 1912,
daß die Reform des Strafprozesses inzwischen verschoben
worden und daher zurzeit eine wiederholte Erörterung
jener Fragen nicht veranlaßt sei, daß man aber bei späterer
Gelegenheit die Anregung der Stände eingehend prüfen
werde. Der Ausschuß der II. Kammer beschloß darauf
die UeberWeisung des Antrags als Material zur Berück-
sichtigung, indem er erläuternd feststellte, daß man die
aufschiebende Wirkung nicht auf die Maßregel der Ent-
fernung von Ruhestörern aus dem Sitzungssaale ausgedehnt
wissen wolle. Das Plenum nahm am 18. Dez. 1912 diesen
Antrag an. Damit ist die Sache vorerst vertagt, und zwar
selbstverständlich auch für den Zivilsitzungsdienst, und der
Bundesrat wird um so weniger Anlaß finden, an eine
schleunige Aenderung des derzeitigen Rechtszustandes
heranzugehen, als eine 33jährige Praxis in dieser Rich-
tung keine erheblichen Mißstände gezeigt hat. Erwägens-
wert wäre nur, ob man das den Anwälten gewährte Vorrecht
der aufschiebenden Wirkung (§§ 180—183) nicht auch
den in § 179 genannten Personen im Fall einer Haftstrafe
zugestehen soll. Jedenfalls wäre dann aber als Korrektiv
ein straffes, beschleunigtes Beschwerdeverfahren geboten,
etwa mit eintägiger Beschwerdefrist und Entscheidung des
OLGPräsidenten binnen 2 Tagen. Das Schwert soll nicht
rosten, bevor es niederfällt.
Ein zweiter Antrag betrifft die Terminsvertagungen.
Man wünscht, daß in solchen Fällen allen Beteiligten sofort
ein einfacher schriftlicher Terminszettel behändigt werde,
der den neuen Termin nach Zeit und Ort genau angebe, mit
dem Zusatz, daß weitere Ladung nicht erfolge. Der Ausschuß-
bericht weist auf die Möglichkeit hin, daß durch unver-
schuldete Mißverständnisse oder Versehen den Beteiligten
Nachteile (Versäumnisurteil!) entständen oder wiederholte
Vertagungen nötig würden. Die Regierung selbst erkläre,
daß viele Gerichte schon jetzt eine ähnliche Uebung be-
folgten, und habe durch ihr Ausschreiben v. 6. Juni 1912
diesen Brauch gebilligt und allgemein empfohlen. Der
Ausschuß schlug daher vor, daß die Regierung alljährlich
zu Beginn des Geschäftsjahres alle (auch die Verwaltungs-)
Gerichte anweise, in bezeichnter Weise zu verfahren,
sofern nicht im Termin berufsmäßige Prozeßvertreter an-
wesend seien oder die Beteiligten auf Befragen ausdrücklich
auf Terminszettel verzichteten. Anscheinend übersieht der
Ausschuß hierbei, daß eine landesrechtliche oder gar in-
struktioneile Anweisung, bestimmte in der ZPO. nicht vor-
geschriebene Prozeßakte vorzunehmen, die ordentlichen
Gerichte nicht binden würde, so daß nur die Verwaltungs-
gerichte in Betracht kommen könnten. Das Plenum nahm,

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