Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

9.2. Juristische Rundschau

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XVIII. Jahr g. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 3.

216

Entscheidung und kann sich darauf verlassen, daß
die Entscheidung maßgebend bleibt, wenn er später
einmal aus der Beitragsleistung Rechte herleitet.
Dieser Weg erscheint besonders empfehlenswert,
wenn zweifelhaft ist, ob jemand zu dem im § 1226
Abs. 1 Nr. 1—6 RVO. bezeichnten Personenkreise
oder zu den nach dem AVG. versicherten Personen
gehört. Wird in einem solchen Falle in dem nach der
RVO. betriebenen Beitragsstreitverfahren die Versiche-
rn gspßicht verneint, so ist die Feststellung, daß die
Person zu den nach dem AV G.Versicherten zu rechnen
ist, auch für das Verfahren nach dem AVG. bindend.
Die gleiche Bindung ist vorgesehen hinsichtlich der
über die Abgrenzung dieser Personenkreise in dem
Verfahren nach dem AVG. ergangenen Entscheidung
für das Verfahren nach der RVO. Endlich dürften
auch wegen der in Frage kommenden Haftung nach
bürgerlichem Rechte die mit der Auskunftserteilung
betrauten Beamten des Versicherungsamts und des
Rentenausschusses geneigt sein, in nicht ganz zweifel-
losen Fällen den Anfragenden auf die im Streit-
verfahren zu erlassende Entscheidung zu verweisen,
gegen welche die Beschwerde an das Oberver-
sicherungsamt oder das Schiedsgericht für Angestellte
gegeben ist. Denn der Beamte haftet mit seinem
Vermögen für die Richtigkeit der gegebenen Aus-
kunft und hat unter Umständen dem Anfragenden
für den ihm aus einer irreführenden Auskunft er-
wachsenen Schaden einzustehen, da die fahrlässige
Erteilung einer falschen amtlichen Auskunft sich als
Verletzung einer Amtspflicht im Sinne des § 839
BGB. darstellt. Für die Auskunft haftet der Beamte
auch dann, wenn er etwa bei ihrer Erteilung seine
Zuständigkeit überschritten haben sollte, mithin eine
gesetzliche Verpflichtung zur Bescheidserteilung nicht
bestand. Denn das staatliche Interesse erfordert es,
daß keinesfalls eine unrichtige Auskunft amtlich ge-
geben wird. Der Beamte, wenngleich er sich nicht inner-
halb des Rahmens seiner Befugnisse hält, handelt
immerhin doch als Beamter und muß die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beobachten und die Folgen der
Vernachlässigung dieser vertreten. Auch die Haftung
des Staates und des Reiches bei einer Auskunft in
Angelegenheiten der Angestelltenversicherung, ins-
besondere der Reichsversicherungsanstalt auf Grund
der §§ 89, 31 BGB. und des Gesetzes über die
Haftung des Reiches für seine Beamten v. 22. Mai
1910 sowie entsprechender Landesgesetze kommt in
Frage, da es von der Art der erteilten Auskunft ab-
hängt, ob der Bescheid in Ausübung der dem Be-
amten anvertiauten öffentlichen Gewalt oder in Aus-
führung von der betreffenden Behörde zustehenden
privatrechtlichen Verrichtungen ergangen ist. Zur
ausschließlichen Haltbarmachung des Staates auf
Grund der Beamtenhaftungsgesetze ist es nach der
neuesten Praxis des RG. nicht erforderlich, daß die
schädigende Handlung in Ausübung eines staatlichen
Zwangsrechts erfolgt, vielmehr fallen unter die Haftung
auch schon Akte staatlicher Fürsorge.1)

i) Vgl. RG. in Zivilsachen Bd. 68 S. 285; 78 S. 325.

Juristische Rundschau.
Der Entwurf des Reichstheatergesetzes
liegt vor. Er bringt zunächst eine Aenderung der
Gewerbeordnung und macht die Erlaubnis zum
gewerbsmäßigen Betriebe eines Bühnenunternehmens
von einer Anzahl von Bedingungen abhängig. Sie
sollen den Künstlern die Sicherheit der wirtschaft-
lichen Grundlage gewährleisten. Die wesentlichsten
Teile des Gesetzes sind die Vorschriften über den
Bühnenvertrag. Sie füllen 30 Paragraphen. Sie
enthalten gar manches eigentlich Selbstverständliche.
Wie schlimm muß es bestellt sein, wenn es nötig
wurde, dies durch das Gesetz zu erzwingen.
Eine zunächst mehr politische und wirtschaft-
liche Bedeutung hat die starke Bewegung auf dem
Gebiete der Volksversicherung. Eine Aktien-
gesellschaft „Volksfürsorge“, die sich an die
Gewerkschaften anschließen will, soll entstehen.
Eine „Nationale Volks Versicherungsanstalt “
wird von 26 deutschen Versicherungsgesellschaften
geplant. Als drittes Projekt wird eine öffentlich-
rechtliche Volksversicherung, die ohne Gewinn
arbeiten soll, befürwortet. Der Gedanke wird ausge-
sprochen, diesen Zweier der Reichsversicherung anzu-
gliedern. Wieder handelt es sich um ein Gebiet, das
dem Erwerbszweck entzogen werden und nur der
Fürsorge für die Interessenten dienen soll. Wer
weiß, ob nicht auch hier der Monopolgedanke auf-
taucht. Er beginnt auch auf diesem Boden immer
tiefere Wurzeln zu schlagen.
Der Kampf um die Reklame an Bahnstrecken
dauert weiter. Der Regierungspräsident von
Breslau hat auf Grund des preußischen Gesetzes
v. 2. Juni 1902 durch Polizei Verordnung angeordnet, daß
auf eine Entfernung von 300 Metern der Eisenbahn-
strecken und an den Ufern der Oder keine Reklam e-
schilder oder sonstige Aufschriften und Abbildun-
gen angebracht werden. Das Kammergericht hat
in einem neuerdings ergangenen Urteile seine frühere
Ansicht berichtigt. Es hat den Gerichten die Befugnis
zugesprochen, den Begriff „landschaftlich hervor-
ragender Gegend** nachzuprüfen. Man kann diese Art
Heimatschutz freudig begrüßen. Die Anlieger, die bis-
her einen Nutzen aus der Gestattung der Reklame-
schriften gezogen haben, müssen sich darein finden.
Man wird es aber ebenso begreiflich finden, daß einer
Ueberspannung des Verbotsgedankens entgegenge-
treten wird. Für den juristischen Theoretiker bietet die
Reklameversagung einen hübschen Fall eines gesetz-
lichen Verbots der Leistung aus einem Schuldverhältnis.
Die Einführung der Barfrankierung der
Briefe erfolgt. Der Ausdruck ist nicht genau. Ge-
meint ist die Abstemplung statt des Beklebens
mit der Freimarke. Erstrebt wird die Ueberlassung
einer Frankierungsmaschine an die Großver-
sender. Sie besorgt den Aufdruck des Portos.
Sie registriert die vorgenommenen Verstemplungen.
Sie bringt damit wieder eine neue juristische Frage.
Was bedeutet die Ueberlassung eines solchen Apparates
an die Abnehmer? Liegt darin eine Veitragsofferte
der Post? Welcher Vorgang vollzieht sich bei der
Abstemplung? Wann ist der Transportvertrag voll-
endet? Der Kaufmann mag denken, man solle ihm
nur einmal die Frankierungsmaschine geben. Das
andere findet sich von selbst. Vielleicht hat er recht.
Frankreich schafft im Hotel-Warrant
eine neue Art des Mobiliarkredits. Das von der

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