14.44.
Friedrich Wintterlin, Württembergische ländliche Rechtsquellen Adam, Albert Eugen, Württembergische Landtagsakten
Besprochen von Ulrich Stutz
Literatur.
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ßicbteramtes zu walten. Vielmehr kann sie allgemeinere Beach-
tung beanspruchen, weil sie uns zeigt, wie ohne weiteren Anstoß von
außen und ohne die Rezeption das mittelalterliche Gerichtswesen von
selbst sich überlebte, z. B. infolge der Unmöglichkeit, für die täglich
stattfindenden und den bürgerlichen Erwerb empfindlich störendenSitzun-
gen pflichteifrige und tüchtige Richter zu finden. Auch die Urteilfällung
und -eröfinung lag im Argen. Es ist schwer zu verstehen, daß der
Rat dieser Zuchtlosigkeit gegenüber Jahrhunderte lang ohnmächtig
war, und daß die Gesetzgebung völlig versagte. Schließlich sind es
einige tüchtige Persönlichkeiten im Schultheißenamt gewesen, die am
Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Wandel geschaffen haben. „Ihrer
Arbeit räumte die Gesetzgebung so völlig das Feld, daß bloß durch
die Praxis eine eigentliche Reformation der Rechtspflege hergestellt
wurde." Sogar mit dem Gesetz nicht zu vereinbarende Neuerungen
im Verfahren sind durch derogierendes „Juristenrecht" eingeführt
worden. Die Zivilprozeßordnung vom 17. Oktober 1848 brauchte sich
in allem Wesentlichen nur an die vorhandene, durch sich selbst ge-
sundete Praxis anzuschließen; in der Form der Gerichtsverhandlung
wurde dabei übrigens die Grundlage der Gerichtsordnung von 1719
bewahrt. Erst ein Ergänzungsgesetz vom 2. November 1863 schied
Betreibung und Rechtsverfahren, wenn auch noch nicht völlig und in
aller Form voneinander und brachte zugleich die interessante, aber
wesentlich nur durch die Persönlichkeit Schnelle getragene Neuerung
des Vorverfahrens. Den letzten Schritt tat die von Heusler selbst
herrührende Zivilprozeßordnung vom 8. Februar 1875. Ihr Urheber
wertet ihre Bedeutung viel zu bescheiden; wer unter ihr praktiziert
hat, weiß, daß sie nicht nur ihrer Form, sondern namentlich auch
ihrer praktischen Verwendbarkeit und ihrer heilsamen erzieherischen
Wirkung nach ein Meisterwerk war und auch heute, trotz stark ver-
änderter Verhältnisse, in der Hauptsache noch vortrefflich funktioniert.
Ulrich Stutz.
Württembergische ländliche Rechtsquellen, herausgegeben
von der Königl. Württembergischen Kommission für Landes-
geschichte. Erster Band. Die östlichen schwäbischen
Landesteile, bearbeitet von Friedrich Wintterlin,
Stuttgart, W. Kohlhammer 1910. 17* und 888 S. gr. 8°.
Württemb er gische Landtagsakten, herausgegeben von der
Königl. Württembergischen Kommission für Landesge-
schichte. II. Reihe. Erster Band 1593—1598, bearbeitet
von Dr. Albert Eugen Adam. Stuttgart,W. Kohlhammer,
1910. X und 652 S. gr. 8°.
Die Württembergische Kommission für Landesgeschichte hat uns
in diesem Jahre mit zwei sehr willkommenen Ausgaben beschenkt.
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