Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 33 (1912))

Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter. 149
Begriffe gridr und tryggdir.* 1) Der Friede ist zeitlich
beschränkt und vorläufig, die Sühne endgültig und
dauernd.
Dieser Gegensatz wird in den mittelalterlichen Quellen
mit aller Schärfe betont.
Der Kanonist Bernhard von Pavia (f 1213) schreibt:
treuga . . securitas praestita personis et rebus discordia non
finita, pax.. discordiae finis.2) Der Unterschied tritt vielleicht
bereits in einem italienischen Reichsgesetz König Heinrichs H.,
dem Straßburger Kapitulare von 1019 (Const. 1 Nr. 32 § 3),
hervor: qui. . infra treuvam vel datum pacis osculum aliquem
hominem interfecerit.3) Deutlicher ist eine Stelle des Stadt-

*) Wilda a. a. 0. 179. — v. Amira, Nordgerm. Obligationenrecht
1, 689. — K. Maurer a. a. 0. 5,112 ff. — l) Die Stelle wird angeführt
bei Frensdorff a. a. 0. 52. Bernhard sieht also das Wesentliche darin,
daß der Friede (treuga) noch keine völlige Aussöhnung darstellt. Er
unterscheidet dann treuga perpetua, den Frieden der Geistlichen,
Pilger usw. (nicht ganz korrekt als treuga bezeichnet), und treuga
temporalia, den Frieden, der an den bestimmten Tagen des Gottesfriedens
gilt. Den Frieden im technischen Sinne erwähnt Bernhard nicht.
Indessen tritt dieser Friede in den italienischen Statuten des 13. Jahrh.
auf und wird als treuga auch hier auf das bestimmteste von der pax,
der Söhne unterschieden. Belege bei Köhler, Strafrecht der Italien.
Statuten 38 ff. Pertile, Storia del diritto italiano 5®, 12 ff. Auch
diese Schriftsteller halten übrigens die beiden Begriffe nicht genügend
auseinander. — *) Über dieses Gesetz vgl. Hirsch, Jahrbüeher Hein-
richs II. 3,139. — In einem Vertrag Friedrichs I. mit Papst Eugen III.
1153 (Const. 1 Nr. 144 § 1) heißt es nec trevam nec pacem faciet. Auch
die deutschen Reichsgesetze nennen den Frieden stets treuga, niemals
pax. Die Partikularrechte nehmen es mit dem Sprachgebrauch nicht
immer so genau und bezeichnen den Frieden häufig als pax; dieses
Wort lag als Übersetzung des deutschen Ausdrucks sehr nahe. Schon
Bernhard von Pavia bemerkt, der Unterschied von treuga und pax
werde nicht immer beachtet. Pax im Sinne von Friede z. B. Löwen
1211 §1 (v. Coetsem a. a. O. 191); Middelburg 1217 (van den Bergh 1
Nr. 261); ältestes Kölner Eidbuch 1321 §7 (Akten zur Verfassungs-
gesch. Kölns 1, 6); Iglau ca. 1249 c. 81 (Tomaschek, Deutsches Recht
in Österreich 285); Brünner Schöffenbuch c. 410. 529 und öfter; Wallis
1514 § 93 (Zeitschr. für schweizer. Recht 80,243). Bisweilen stehen
treuga und pax als gleichbedeutend nebeneinander: Gent 1192 § 81
(Warnkönig 2 Nr. 6): pacem et treugas donare; Waes 1241 (ebenda
Nr. 220 § 25) ; La Hulpe 1280 § 13 (v. Coetsem 201); Hartem 1245 (van
den Bergh 1 Nr. 412). — Die Sühne heißt dagegen niemals treuga.

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