Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 23 (1902))

Zu den germanischen Königswahlen.

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sich um eine selbstständige Entwickelung in der Kirche han-
delt. Vielleicht besteht eine Wechselwirkung zwischen der
electio per unum und der Veränderung der Subskription1),
welche auf hört der Willensausdruck aller zu sein1); das
würde auch zeitlich passen.
4. Vergleicht man nun mit den scrutatores in der älteren
Zeit, wo sie auch electores sind, die deutschen Kurfürsten
nach dem S.Sp., so ist die Stellung beider sachlich genau
die gleiche. Wie im Kirchenrecht 3 Leute das Wahlresultat
sammeln und verkündigen, so fungiren für die Bischöfe und
für die weltlichen Fürsten je 3 Wahlverkündiger, die auch
die Wahl festgestellt haben müssen. Bei dem Fürstenwahl-
recht, das ja nicht an altes germanisches Recht anknüpft,
sondern eine Neubildung ist, kann — namentlich in einem
sachlich nicht sehr wesentlichen Punkt — das viel geformtere
und verbreitetere kirchliche Wahlrecht recht wohl eingewirkt
haben.2) Es wäre das nicht anders gewesen, als wie in
Venedig die Dogenwahl der 41 durch 3 Präsidenten ge-
leitet wird.8) Plausibel aber wird die Ableitung, wenn man
bedenkt, dass das deutsche Recht nirgends einen Ansatz
erkennen lässt, aus dem die Funktion des Kurkollegiums
herausgewachsen ist. Das scrutinium setzt einen genau ge-
schlossenen Wählerkreis voraus, und in der That sagt der
S.Sp., dass die Kurfürsten die Wahl der Fürsten verkündigen.
Das scrutinium ist sinnlos ohne Majoritätsprinzip; in der
That ergab sich für die Fürstenwahl wenigstens die Wahr-
scheinlichkeit, dass die Mehrheit entschied, und es zeigte
sich kein entgegenstehendes Moment.
Nach wie vor meine ich aber auch einen ausdrücklichen
Beleg für den Zusammenhang gefunden zu haben und hoffe
denselben jetzt noch etwas einschneidender gebrauchen zu
können. Bekanntlich werfdn 1202 die Fürsten dem römi-
schen Legaten vor, dass er eine ungehörige Rolle spiele:
entweder die des elector oder die des cognitor.*1) Im ersten
*) 8.19 N. 3. — *) Auch die kanonischen Wahldekrete hat man
ja herüber genommen (meine V.G. II 8.390 N. 53). — ') Musatti storia
della promissione ducale 1888 8.107, 8. 109. — *) Die Thätigkeit des
cognitor wird später abgelehnt, weil es in dieser Sache kein Gericht
gibt.

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