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E. Stengel,
liehe Gerichtsbarkeit erwarben, ist ein ungeheuerliches Mißverständnis
des Kritikers, das zu erklären ich außerstande bin.“ Hier sind meine
Worte; ich sage im unmittelbaren Anschluß an meine Ausführungen
über den „gleichen Charakter“ der Immunitätsgerichtsbarkeit im Bann-
und im grundherrschaftlichen Gebiet folgendes: „Indem er [Seeliger]
nun gleich darauf der bischöflichen Stadtgerichtsbarkeit die Bedeutung
zuerkennt, daß ihr ,die alte Grafengerichtsbarkeit vollständig das Feld
räumen mußte', gibt er also nicht mehr und nicht weniger zu, als
daß sie auch von den ,außerstädtischen Gütern*, auf denen
er sie sonst generell weiter walten läßt, vertrieben worden ist.
Ist dieser Fall nur eine Ausnahme? Etwa an ihn mag Seeliger ge-
dacht haben, wenn er in der abschließenden Zusammenfassung am
Schlüsse seines Buches (200) wenigstens so viel einräumt, .verhältnis-
mäßig selten* — das heißt eben doch ausnahmsweise — seien ,die
Rechte der allgemeinen Immunität fortgebaut worden zu einer vom
Staat übertragenen, hohen, der gräflichen ebenbürtigen Gewalt*. Aber
jene Speierer Verbriefung steht ja nicht so allein, daß man sie als
Ausnahme nehmen dürfte: zahlreiche Privilegien . . . teilen mit ihr
den Parallelismus zwischen allgemeiner Immunität und Baunverleihung.
Sie alle schließen sich ihrer Deutung an.“ Soweit meine früheren
Worte. Wo bleibt da die Beziehung der Schlußbemerkung Seeligers
auf die Privilegien der Bischofsstädte — kann jemand zweifeln, daß
ich sie auf die volle, wie ich glaubte, auch von Seeliger zugegebene
Immunitätsstellung der „außerstädtischen Güter“ Speiers bezog? —
und wo bleibt meine angebliche Folgerung, daß Seeliger „es als sel-
tene Ausnahme erachtet habe, wenn Bischöfe in ihrem Stadtgebiet
die gräfliche Gerichtsbarkeit erwarben“?
Inzwischen ist der erste Teil des von Seeliger angekündigten
Aufsatzes erschienen (Forschungen zur Gesch. d. Grundherrschaft im
früheren Mittelalter. I. Alte und neue Ansichten, Hist. Vierteljahrschr.
1905, S. 805—361), in dem er nach einer ausführlichen Selbstanzeige
seines Buches eine lesenswerte „Übersicht der wichtigsten seit Eich-
horn vorgetragenen Meinungen über Immunität, Hofrecht und Grund-
herrschaft“ gibt „und die vornehmsten Unterschiede“ hervorhebt. Diese
Ausführungen werden gewiß Anderen Gelegenheit zu ausführlicher
Äußerung geben. Ich beschränke mich, hier die Punkte herauszuheben,
die bereits bisher zwischen uns streitig waren; einiges habe ich schon
in Anmerkungen vorweggenommen.
8. Von der Ansicht Seeligers, daß die grundherrschaftliche Immu-
nität im 10. Jahrhundert nicht zur vollen Exemtion von der Grafschaft
gediehen sei, gibt die Selbstanzeige a. a. O. 314 keine ganz adäquate Vor-
stellung. Wenn es hier heißt: „Auch im Zeitalter der Ottonen hat die
Immunität nicht das gesamte herrschaftliche Gut aus den Grafschafts-
verbänden schlechthin hinausgeführt. Nur manchen Stiftern ist die Er-
werbung eines so weitgehenden Privilegs und eines wenigstens formellen
Rechts auf Exemtion aller Güter von der Grafengewalt gelungen“, so