Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 22 (1901))

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Litteratur.

ohne gegen den Widersacher den direkten Vorwurf der Missethat zu
erheben“.1) Was er selbst zu Gunsten der „alternativen“ Beschuldigung
des Beklagten wegen deliktischen Erwerbes aus den schwedischen
Quellen beibringt, beschränkt sich im Wesentlichen auf eine einzige
Stelle. Aus ihr soll hervorgehen, dass die Fahrnissklage auch ohne
Diebnennung und damit ohne das charakteristische Merkmal der Dieb-
stahlsinzicbt (8. 34, 193, 207) erhoben werden konnte. Es handelt sich
um Westgötalagen 1 piuv. b. 19 § 1 (vgl. II pb. 55):
Deshalb soll man einen vin*) nehmen zu allen Käufen, damit
er diebstahlsfrei machen soll um alle Käufe. Will der (Verkäufer)
ihn (den Käufer) Dieb nennen, dann soll der vin Zeugniss leisten
und die zwei (Zeugen) zudem mit Zwölfereid, dass ich kaufte diese
Sache mit vin und mit Zeugen so, wie es Gesetz war, und deshalb
walte ich nicht der Sache, die du mir schuld giebst.
Estländer bemerkt dazu: „Der Kläger hatte, da es dem Be-
klagten nicht gelungen war, den Gewähren zu stellen, 'ihn Dieb ge-
nannt *. Der Beklagte schwor sich diebstahlsfrei mit vin und Zeugen.
Hieraus geht hervor, dass die Beschuldigung wegen Diebstahls geschehen
konnte, aber nicht musste ('viT), und dass sie nicht bei Einleitung der
Klagansprache erhoben wurde, sondern sich vielmehr als eine Folge am
die Beweisfälligkeit des Beklagten anschloss.“ Alles dies beruht auf
Missverständniss. Von einem misslungenen Versuche des Beklagten, den
Gewähren zu stellen, ist überhaupt nicht die Rede. Die Worte „will
der ihn Dieb nennen“ bezeichnen den Fall, dass der Verkäufer selbst
die Diebstahlsinzicht gegen den Käufer erhebt, und daher (vgl. S. 151)
ein Zug auf den Gewähren picht stattfinden kann. Weiterhin ist aber
an die Erhebung einer Fahrnissklage vor dem Dieb-Nennen nicht zu
denken. Der vin wird zugezogen, um den Käufer nöthigenfalls dieb-
stahlsfrei zu machen (orpiuva göra). Das wird nöthig, wenn jemand
den Käufer Dieb nennt. Ist dies ein Dritter, sO erfüllt der vin seine
Pflicht, indem er den Verkäufer als Gewähren stellt. Ist es dehVer-
käufer selbst, so legt der vin das Zeugniss in der von der Stelle näher
bezeichneten Art ab. So verstanden spricht diese uns beschäftigende
Vorschrift nicht für, sondern gegen Estländers Ansicht: Sie kennt
nur einen Fall, in dem der vin Zeugniss ablegt, nämlich wenn der
Käufer durch ein kallse piuf vom Verkäufer zum göra sik orpiuva ge-
nöthigt wird.
Es unterliegt nun aber keinem Zweifel, dass auch in dem Falle
der Fahrnissklage (klanderprocess im Sinne des Verfassers als Gegen-
satz zum Diebstahlsprozesse gedacht) nach altschwedischem Rechte
eine Nöthigung des Beklagten zum göras sik orpiuva gegeben war.
Das gilt, was besonders' wichtig ist, ebenso, wenn der Beklagte zur
Herausgabe der Sache an den Kläger bereit ist, wie wenn er seinen

*) So Brunner a. a. O. 8. 495 (vgl. 8. 499, Grundzüge der Deutschen
Recntsgeschichte 8. 178, v. Amira, Grundriss * 8.130). -— *) 8. über ihn
namentlich ▼. Amira, Nordgerm. Obl.-R. I 284ff., 346ff.

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