Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung (Bd. 22 (1901))

Litterator.

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Fahmissprozess und Diebstahlsprozess von einander zu unterscheiden
sind. Nach der Meinung des Verfassers erhob zwar im Diebstahls*
prozess, nicht aber auch bei der Fahrnissklage der Eiläger gegen den Be-
klagten eine förmliche Anklage wegen Begehung der strafbaren Hand-
lung, durch die er selbst den Klagegegenstand verloren hatte, oder
wegen Theilnahme an dieser Handlung. Zwar war in den Thatsachen,
auf die sich das Verfahren bei der Fahrnissklage stützte, „ein kri-
minelles Moment implicite“ enthalten. Aber „die Lachverfolgung
unterschied sich von der Diebstahlsverfolgung dadurch, dass der Kläger
den Inhaber der Sache nicht ‘Dieb zu nennen’ brauchte“. Er konnte
sich begnügen darauf hinzuweisen, dass die Sache sich bei dem Be-
klagten befand, was dieser gewusst habe oder habe wissen müssen.
Und das bedeutete, dass entweder der Beklagte oder der, von dem er
den Gegenstand erhalten hatte, oder irgend einer von dessen Vor-
männern der Verbrecher war (S. 208). Mit der Inanspruchnahme der
Sache habe also der Kläger gegen den Beklagten an und für sich nur
eine alternative, nicht eine direkte Beschuldigung erhoben, wenn auch
wohl die Erhebung einer Solchen der letzteren Art nicht ausgeschlossen
gewesen sei.
Wie wir sehen, stimmt die Ansicht des Verfassers der Haupt-
sache nach mit der in der neueren Anefangsliteratur vertretenen überein.
Der Verfasser beruft sich denn auch (S. 208 Anm. 1) auf Heusler,
Brunner und v. Amira, während er sich (ebd. Anm. 2) ausdrücklich
gegen die zumal von Jobbe-Duval und London vertretene Ansicht
erklärt, dass die Anefangsklage ursprünglich prinzipiell eine Delikts-
klage mit direkter Anschuldigung des Besitzers als des Diebes gewesen
sei. Estländer hält diese letztere Ansicht für nothwendig unverein-
bar mit jener ersteren. Er lässt ausser Acht, dass Heusler1) und
Brunner4) der Anefangsklage ebenfalls die ursprüngliche Natur einer
Deliktsklage zuschreiben, die ihr nur zur Zeit der Aufzeichnung unserer
ältesten Rechtsquellen nicht mehr eigen gewesen wäre. Auf der anderen
Seite konnte auch von Jobb6-Duval3) und London4) nicht übersehen
werden, dass bereits in diesen ältesten Aufzeichnungen die Anfänge
der Entwicklung deutlich erkennbar sind, welche im Laufe der Zeit
den strafprozessualen Charakter der Anefangsklage durch den reiper-
sekutorischen ersetzen sollte. Der Gegensatz der Meinungen ist daher
nicht durchweg so scharf, wie Estländer annimmt, nach dessen
eigener Ansicht allerdings der Dualismus der auf den unfreiwilligen
Verlust einer beweglichen Sache gegründeten Straf- und Civilklage
von jeher bestanden haben würde. Zu dieser Ansicht würde der Ver-
fasser auf Grund der schwedischen Quellen allein wohl kaum gelangt
sein, hätte ihm nicht schon der Gedanke an ein Verfahren vorgeschwebt,
„das den objektiven 1 hatbestand des Verbrechens zu Grunde legt,
') Institutionen des Deutschen Privatrechts II 7. — *) Deutsche
Rechtsgeschichte II 8. 328 (vgl. auch 8. 512). — *) Nouv. rev. histor. d.
droit franQ. et dtr. 1880 p. 541. — 4) Anefangsklage 8. 15. 326f. u. sonst.
8. auch Pappenheim bei London 8. 362.

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