222 Von der Lehre des Besitzes nach dem niederl. Gesetzbuche,
Jeder Besitzer kann die Besilzklage gegen Jedermann,
der ihn im Besitze gestört hat, fuhren, selbst gegen den F.i-
genthümer, der aber stets seine actio petitoria vorbehält.
Der Besitzer, welcher aber precario, clam oder vi den Besitz
erlangt hat, hat keine Besitzklage gegen den, von welchem
er den Besitz herleitet, oder dem er denselben gerauht hat
(Art. 613).
Aufser dieser Klage, welche binnen dem Jahre des ge-
störten Besitzes geführt werden mufs, und die Handhabung
im Besitz nebst Schadenersatz für die erlittene Störung be-
zweckt (Art. 614—615), bestätigt das niederländ. Gesetz fer-
ner das im 13ten und 14ten Jahrhundert in Frankreich, Italien
und Deutschland eingeführte summariissimum (in Frankreich
recreance genannt). Art. 617 gibt nämlich dem Richter, im
Falle die Besitzklage von beiden Seiten geführt und nicht
sattsam erwiesen ist, das Recht, bevor er über den rechtliche»
Besitz Urtheil fällt, entweder das Objecct des Processes m
sequestriren, oder den Partheien zu befehlen, auf dem Wege
des petitorii zu verfahren, oder Einem von Beiden den Besitz
provisorisch zu gestatten. Dieser Besitz dauert nur so lange,
bis die Eigenthumsfrage entschieden ist, und verpachtet, von
den genossenen Früchten Rechnung abzulegen.
Der niederländ. Gesetzgeber hat das interdictum uti pos-
sidetis} welches im röm. Rechte nur für blofse Störung im
Besitze galt, auch auf den Fall des usurpirten Besitzes aus*
gedehnt, wenn die Usurpation nur nicht gewaltthätig geschehen
war (Art. 618). Diese Ausdehnung des römischen Interdicts
war durch die französische Gerichts - Praxis lange vor Ein-
führung des Code civil und durch Analogie der Const. 5 Cod.
unde vi eingeführt worden. Für den Fall der gewaltthätigen
Usurpation und des betrügerisch (mala fide) erlangten Be-
sitzes gibt das niederländ. Gesetz das interdictum unde vi} die
französ. rcintegrande (Art. 619—620). Beide Klagen werden
durch Verlauf eines Jahres verjährt, und dürfen nicht mehr