Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 93 = N.F. Bd. 86 (1898))

2. Abthlg.

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Gründen:
Die Revisionskläger rügen an erster Stelle, daß in dem
Berufungsnrtheile der rechtliche Begriff des Betriebsun-
falles verkannt sei, indem in demselben zwar als erwiesen
angenommen werde, daß der Kläger dadurch vergiftet worden
sei, daß er in kurzer Zeit, so zu sagen mit einem Male, ver-
hältnißmäßig große Mengen Bleies in sich ausgenommen habe,
aber dennoch verneint sei, daß diese plötzlich und unmittelbar
cingetretene Vergiftung einen Unfall im Sinne des Unfall-
versicherungsgesetzes darstelle. Diese Rüge ist jedoch nicht
begründet. Das Oberlandesgericht hat jenen aus dem Gut-
achten des Sachverständigen Dr. Schneider entnommenen Satz
über die Entstehung der Vergiftung des Klägers nur deshalb
angeführt, um festzustellen, daß die Vergiftung nicht bereits
während der Beschäftigung des Klägers bei seiner früheren
Arbeitgeberin, der Firma Johann Krumm, sondern erst während
er in der Härterei der Beklagten beschäftigt war, entstanden
sei und in ihrem Fortgange zu der bei dem Kläger jetzt nach-
gewiesenen chronischen Beschaffenheit der Krankheit geführt
habe, es wollte aber nicht damit sagen, daß die Vergiftung
des Klägers durch ein plötzlich eingetretenes E r e i g n i ß
hervorgerufen worden oder selbst ein solches Ereigniß
sei. Vielmehr ist das Oberlandesgericht bei der Beantwortung
der Frage, ob ein Unfall oder eine sog. Gewerbe-
k r a n k h e i t vorliegt, davon ausgegangen, daß es als er-
wiesen annimmt, daß der Kläger entweder während des
Probehärtens und während des dreitägigen Härtens in der
Fabrik der Beklagten oder auch nur während des letzteren
Zeitraumes die giftigen Bleidämpfe, welche seine Erkrankung
herbeiführten, in sich ausgenommen habe, und erblickt hierin
eine Gewerbekrankheit und nicht einen Unfall, weil die Er-
krankung des Klägers sich aus dem, wenn auch nur wenige
Tage währenden Betriebe selbst entwickelt habe und
zwar als die gewöhnliche voraussehbare Folge des un-
gesunden Betriebes. Diese Auffassung des Begriffes
der Gewerbekrankheit gibt zu rechtlichen Bedenken keine Veran-
lassung. Sie ist in Uebereinstimmung mit den Entscheidungen
des Reichsgerichts (Entsch., Bd. 21 S. 77 und Bd. 29
S. 42) und des Reichsversicherungsamtes (Handbuch der

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