2. Abthlg.
56
17, 18 des Preuß. Stempelsteuergesetzes vom 81. Juli 1895
durch Nichtanwendung rügt, erschien begründet.
Erwiesenermaßen haben die Klosterschwestern Maria und
Anna Jansen in Carshalton-House bezw. Stanbrook in Eng-
land unterm 10. bezw. 15. Juni 1896 dem Angeklagten
Generalvollmacht zur Regelung ihrer Vermögensangelegenheiten,
soweit das Vermögen in Deutschland belegen ist, ertheilt. Der
Angeklagte hat beim Kgl. Amtsgericht in Aldenhoven die Aus-
stellung einer Erbbescheinigung beantragt und zu seiner Legiti-
mation die Vollmychten ungestempelt eingereicht. Das König!.
Schöffengericht in Aldenhoven sowie die Ferienstrafkammer beim
Kgl. Landgericht in Aachen haben den Angeklagten freigesprochen.
Sie nehmen an, daß, weil Angeklagter die Vollmachten bei
Gericht eingereicht hat, im Augenblicke der Einreichung die
Verpflichtung, den Stempel zu verwenden, auf den Gerichts-
schreiber übergegangen und demnächst erst ein „Gebrauch"
der Urkunden erfolgt, daß also der Stempelpflicht „vor
dem Gebrauche" genügt sei. Die Auffassung erscheint rechts-
irrthümlich und läßt sich nicht aufrecht erhalten.
Nach § 16 lit. f des Stempelsteuergesetzes muß bei den
nicht auf Stempelpapier niedergeschriebenen Verhandlungen der
Privatpersonen die Versteuerung bewirkt sein: bei im Auslande
errichteten Urkunden, bei denen Inländer betheiligt sind, binnen
2 Wochen nach dem Tage der Rückkehr der Inländer in das
Inland, bei sonstigen im Auslande errichteten Urkunden, von
denen im Jnlande Gebrauch gemacht werden soll, „vor dem
Gebrauche". Nach § 35 Abs. 3 des Stempelsteuergesetzes
bleiben die in dem Preuß. Ger.-Kost.-Ges. vom 25. Juni 1895
Uber das Stempelwesen getroffenen Bestimmungen unberührt
und der Z 31 des letztgedachten Gesetzes bestimmt Folgendes:
„Wenn zum Gebrauche bei Gericht bestimmte Vollmachten
u. s. w. ohne den vorgeschriebenen Stempel eingereicht u. s. w.
werden, so finden auf die Einziehung des Stempels die Vor-
schriften des 8 30 entsprechende Anwendung. In denjenigen
Fällen u. s. w. sind die Betheiligten von Stempelstrafen frei,
wenn die Einreichung der Urkunde bei Gericht innerhalb der
für die Verwendung des Urkundenstempels sonst vorgeschriebenen
Frist erfolgt." Der § 30 ibid. bestimmt, daß, wenn Stempel-
abgaben neben den Gebühren zu erheben sind, dieselben nach
den für Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften eingezogen werden.