Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 93 = N.F. Bd. 86 (1898))

1. Abthlg.

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Lux — Gissinger u. Gen.
So entschieden unter Aufhebung der Urtheile des Land-
gerichts zu Bonn vom 9. Dezember 1896 und 30. März 1897
und zwar, soweit es hier interessirt, aus folgenden
Gründen:
Dazu kommt aber noch, daß die Beklagten die ihnen durch
die Polizeiverordnung vom 10. Februar 1870 auferlegten
Verpflichtungen unbefolgt gelassen haben. Dieselbe schreibt in
ihren §8 7, 8 und 12 vor, daß es bei Frostwetter untersagt
ist, Wasser auf die Straße und in die Rinnen abzuführen,
und das in den Rinnen befindliche Eis beseitigt werden muß,
daß bei Schneewetter die Hausbesitzer gehalten sind, einen 2
Fuß breiten Fußweg aufzuwerfen und offen zu halten, sowie
daß sie bei Glatteis verpflichtet sind, die Straße mit Asche
oder Sand zu bestreuen oder sonstige Vorkehrungen zu treffen,
um die Passage ungefährlich zu machen. Das haben die Be-
klagten nicht gethan. Die Polizeiverordnung ist ordnungsmäßig
publizirt und entspricht materiell den Bestimmungen des Ge-
setzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850, sie ist
mithin rechtsgültig. Derartigen Polizeiverordnungen hat Jeder
ohne Ausnahme, soweit er davon betroffen wird, Folge zu
leisten; thut er das nicht, so liegt in der Unterlassung dieser
gebotenen Pflicht ein schuldhaftes Verhalten, es sei denn, daß
nach den Umständen des einzelnen Falles bei einer vernünftigen,
die thatsächlichen Verhältnisse berücksichtigenden Auslegung dem
Sinne der Verordnung in Wirklichkeit gar nicht zuwider ge-
handelt ist oder aus besonderen subjektiven Gründen die objek-
tive Zuwiderhandlung keine schuldhafte Handlung oder Unter-
lassung darstellt (vergl. Rhein. Archiv, Bd. 91. 2 S. 18 und
Bd. 92. 1 S. 187). Ein bezeichnender Ausdruck für die
Anschauung des französischen Gesetzgebers findet sich in dem
Art. 1 des code (Tinstr. crim., wo es in Uebereinstimmung
mit dem Gesetz vom 3. ßrnrnnire IV heißt, daß die Klage
auf Ersatz des durch ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine
Uebertretung verursachten Schadens von Jedem angestellt
werden kann, welcher diesen Schaden erlitten hat. Zu diesen
Uebertretungen gehören auch die gewöhnlichen Polizeiubertretun-
gen (vergl. z. B. Art. 169 des code d’instr. crim.). Auch

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