1. Abthlg.
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auf einen Rechtsanspruch gestützte Aussicht, durch Arbeit Geld
zu verdienen, würde demnach der Beklagte für die Zeit der
Strafverbüßung auch bei völliger Gesundheit nicht haben, viel-
mehr läge es ganz in der Hand der Behörde, ihm ein gering-
fügiges Geldgeschenk zu machen. Eine Aussicht hierauf hat
der Beklagte aber auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen.
Denn es ist nicht abzusehen, wie er an der Verrichtung der in
den Gefängnissen eingeführten, bekanntlich einfachen Handarbeiten
durch den Verlust seines Fußes verhindert sein sollte. Da eine
Selbstbeköstigung der Gefangenen nach 8 6 der angezogeuen
Ministerialverfügung ausgeschlossen ist, so erledigt sich nach dem
Gesagten auch die Aufstellung des Beklagten, er würde bei
körperlicher Unversehrtheit sich im Gefängniß eine bessere Kost
verdienen können.
Darauf, ob seine Behauptungen zutreffen, daß er für
Verpflegung und Kleidung im Gefängniß erhebliche Aufwen-
dungen zu machen habe, kann es nicht ankommen. Denn nach
dem Haftpflichtgesetz soll, wie dessen ß 3 Abs. 2 ergibt, außer
den Heilungskosten dem Verletzten nur der entgangene Gewinn
ersetzt werden, der infolge der gänzlichen oder theilweisen Ver-
minderung der Erwerbsfähigkeit nicht verdient werden kann.
Dagegen enthält das Gesetz nichts davon, daß auf die Lebens-
bedüfnisse oder die vermögensrechtlichen Verpflichtungen des
Geschädigten irgendwelche Rücksicht zu nehmen sei. Gleichwie
nun der Verletzte sich als Kläger nicht auf diese Bedürfnisse
und Verpflichtungen berufen kann, so darf er umgekehrt durch
Berufung auf sie der Klage des Verpflichteten auf Aberkennung
oder Kürzung der Rente keine Einrede entgegensetzen. Anders
würde die Sache nur dann liegen, wenn der verpflichtete
Unternehmer dem Verunglückten nicht den entgangenen Arbeits-
gewinn zu ersetzen, sondern den Lebensunterhalt zu gewähren
hätte. Aus dem gleichen Grunde ist der Einwand des Be-
klagten verfehlt, daß er während der Verbüßung der Strafe
Frau und Kinder zu unterhalten habe. Soweit er sich aber
unter Betonung dieser Thatsache auf § 3 Abs. 1 des Haft-
pflichtgesetzes beruft, indem er seine Gcfängnißstrafe dem vom
Gesetz dort behandelten Fall des Todes des Verunglückten
gleichstellt, übersieht er, daß diese Bestimmung den Hinter-
bliebenen einen Anspruch nur dann gewährt, wenn der Tod
durch den Unfall verursacht ist, während hier offenbar zwischen