1. Abthlg.
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und Vermögensschaden, für längere Zeit aufgehoben und da-
mit eine Veränderung der wesentlichsten Art eingetreten. Die
entgegenstehende Auslegung des Beklagten, daß im Sinne des
Gesetzes als wesentliche Veränderung nur die Besserung oder
Verschlimmerung im Gesundheitszustände des Rentenempfängers
und in seiner hierdurch bedingten natürlichen Arbeitsfähigkeit
.zu gelten hätten, findet weder im Wortlaut des § 72 ihre
Stütze, noch erscheint sie bei Würdigung des Zusammenhangs
zwischen Z 72 und 3a haltbar. Hiernach ließt kein Anlaß vor,
den schon vom Reichsoberhandelsgericht ausgesprochenen all-
gemeinen Grundsatz zu verwerfen, daß nämlich „unter den
Verhältnissen, bei deren wesentlicher Veränderung der Ver-
pflichtete nach § 7 Abs. 2 befugt sein soll, eine Minderung
der Rente zu fordern, nicht blos die in der Person des Ver-
letzten liegenden Momente, also namentlich die Voraus-
setzungen der Erwerbsfähigkeit zu verstehen sind, sondern auch
die externen, außerhalb der Person desselben liegenden Um-
stände" (Entsch. des Reichsoberhandelsger., Bd. 22 S. 154),
einen Grundsatz, den auch das Reichsgericht bei seinen Ent-
scheidungen wiederholt angewendet hat (Entsch., Bd. 1 S. 66;
Eger, eisenbahnrechtl. Entsch., Bd. 8 S. 65). Verfehlt ist
auch die Ausführung des Beklagten, daß dieser Grundsatz
höchstens bei Zuchthausstrafen, nicht aber ans den hier vor-
liegenden Fall der Gefängnißstrafe anwendbar sei, weil ein
gesunder Gefangener durch Arbeit in der Anstalt sich Geld und
bessere Beköstigung verdienen könne, demnach die Ursache, daß
Beklagter zur Zeit nichts verdiene, nach wie vor in dem Be-
triebsunfälle zu finden sei.
Nach der hier eingreifenden (vergl. Oppenhoff, Komment,
zum Str.-G.-B. § 16 Note 1), die Vollstreckung der Freiheits-
strafen behandelnden allgemeinen Verfügung der Minister des
Innern und der Justiz vom 19. Februar 1876 ist im Ein-
klänge mit ß 16 des Neichsstrafgesetzbuchs bestimmt, daß die
Strafgefangenen „in der Regel zu einer ihren Fähigkeiten an-
gemessenen Arbeit anzuhalten" und Befreiungen nur in beson-
deren Fällen zulässig sind (8 4' und 4 daselbst). Der Ertrag
dieser Arbeiten steht nach 8 4 Abs. 9 dem Staate zu; es kann
nur „nach Maßgabe der hierüber geltenden Bestimmungen den
Gefangenen bei Fleiß und gutem Betrage» ein Theil des
Arbeitsverdienstes als Belohnung gutgeschrieben werden". Die