Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 59, Abth. 2 = N.F. Bd. 52, Abth. 2 (1864))

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in der Haushaltung, in der Wirthschaft oder in dem Gewerbe des
Ankäufers selbst verwendet zu werden.
Daß im vorliegenden Falle die Lieferung der betreffenden Victualien
zum Zwecke des Wiederverkaufs erfolgt, sei von dem Vorderrichter nicht
festgestellt. Die Cabinets-Ordre vom 30. April 1847 sei deshalb mit
Unrecht angewendet, die Stempelpflichtigkeit des Vertrages sei vielmehr
nach den bezogenen Tarifposi'tionen zu beurtheilen.
U r t h e i l.
I. E., daß eine Erwiederung auf das Caffationsgesuch Seitens des
Cassationsverklagten in der gesetzlichen Frist nicht eingegangen, daher wider
denselben, dem Anträge der Caffationsklägerin gemäß, in contumaciam
zu verfahren ist;
I. E., daß die Allerh. Cab.-Ordre vom 30. April 1847, ohne Rück-
sicht auf die Eigenschaft der Contrahenten allen „im Kaufmännischen Ver-
kehr vorkommenden" Kauf- und Lieserungsvertragen die beabsichtigte Er-
mäßigung der Stempelabgabe zu Theil werden läßt;
Daß in Ermangelung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung oder einer
ausgeprägten technischen Bedeutung dieses Ausdrucks unter demselben nach
dem Sprachgebrauchs des gewöhnlichen Lebens und der aus der Fassung
der Cabinets-Ordre erkennbaren Absicht des Gesetzgebers solche Kauf- und
Lieferungsgeschafte zu verstehen sind, bei welchen es sich um den Umsatz
zum weiteren Vertrieb von Waaren, d. h. um den Ankauf beweglicher
Sachen zum Zwecke des Wiederverkaufes handelt; daß, wenn dieser
Charakter des Kauf- und Lieferungsgeschäfts an sich das entscheidende Mo-
ment bildet, der von den Jnstanzrichtern als Anhaltspunkt ihrer Beur-
theilung hervorgehobene Umstand nichtz maaßgebend sein kann, daß der
Caffationsverklagte zur Klaffe der Kaufleute gehört und der von ihm ge-
schlossene Vertrag in dem kaufmännischen Verkehr, worin er sich bewegt,
seine Grundlage gefunden hat, da diese Seite des Verhältnisses und der
dadurch etwa im Sinne der jetzt bestehenden handelsrechtlichen Bestimmungen
bedingte einseitig commerzielle Charakter der Operationen der Caffations-
klägerin nicht ausreicht, um den die Voraussetzung der Anwendbarkeit der
Cabinets-Ordre vom 30. April 1847 bildenden objektiven Charakter eines
im kaufmännischen Verkehr geschlossenen Kaufgeschäftes einem Vertrage
zu verleihen, dessen Objekt durch den Vertrag selbst nicht als Waare um-
gesetzt und für den Weiterverkauf bestimmt, vielmehr dem Handelsverkehre,
soweit er demselben etwa angehört hat, entzogen und der eigenen Ver-
wendung und Consumtion auf Seiten d*es Ankäufers zugeführt wird;
Daß daher das Landgericht zu Cöln, wenn es auf das vorliegende,
auf die Lieferung von Viktualien für den eigenen Bedarf des betreffenden
Truppcntheiles sich beziehende Geschäft die Allerh. Cab.-Ordre vom 30.
April 1847 für anwendbar erklärt, letztere unrichtig angewendet und da-
gegen die bezüglichen Vorschriften des Stempelgesetzes vom 7. März 1822
tz. 2. —, sowie der Position ,, Kauf- und Lieferungs-Verträge" des
Tarifs zu demselben durch Nichtanwendung verletzt hat;
I. E., daß die Sache selbst Behufs Festsetzung des zu verwendenden
Stempels zu einer Entscheidung noch nicht vorbereitet ist;
Aus diesen Gründen
cassirt das Königl. Ober-Tribunal fünfter Civilsenat (Rheinischer Senat)
in contumaciam wider den Caffationsverklagten erkennend, das Urtheil
Archiv 59r Bd. 2. Abtheil. A. 6

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