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Die Klage war darauf gegründet worden, daß der Vertrag vom Id.
November 1860 in die Kathegorie der in der Allerh. Cab.-Ordre vom
30. April 1847 erwähnten und durch dieselbe nur mit einem Stempel von
15 Sgr. belegten Lieferungs-Verträge im kaufmännischen Verkehre gehöre,
wie nach Inhalt und Zweck der bezogenen Ordre nach der Natur und
dem Gegenstände des Vertrages und nach des Klägers Eigenschaft, der
zur Klaffe der Kauf- und Handelsleute gehöre, nicht bezweifelt werden könne.
Die Provinzial-Steuer-Direction hatte die Anwendbarkeit der Cab.-
Ordre vom 30. April 18*7 auf den vorliegenden Fall bestritten.
Das Friedensgericht erkannte durch Urtheil vom 16. Februar 1864
dem Klage-Antrage gemäß, und zwar aus folgenden Gründen:
I. E., daß es unzweifelhaft feststeht, daß, weil nicht bestritten, daß der
Klager zur Kathegorie der Kaufleute gehört, auch in Bezug auf seine
Person der von ihm abgeschlossene Vertrag ein Handelsgeschäft darstellt,
welches nothwendig im kaufmännischen Verkehr, worin er sich bewegte,
eine Grundlage gefunden bat;
I. E., daß zwar das Finanz-Ministerial-Rescript vom 17. Juli 1847
(cfr. Centralblatt der Abgaben- und Gewerbe-Gesetzgebung in den Königs.
Preußischen Staaten, Jahrgang 1847, Seite 141) die angeführte Cab.-
Ordre dahin interpretirt, daß in Betreff der Frage, ob der Va pro Cent
Stempel oder der Stempel von 15 Sgr. Platz greife, nicht unbeachtet
bleiben dürfe, daß zum kaufmännischen Verkehre nur Kauf- und Lieserungs:
Verträge gezahlt werden können, die zum Zwecke des Wiederkaufes abge-
schlossen worden, eine Ansicht, woraus auch die Verklagte ihre der Klage
entgegengesetzte Einrede stützt;
I. E., daß aber eine solche Interpretation der klaren Fassung jener
Cab.-Ordre nicht entspricht, da hierin ausdrücklich bestimmt ist, daß ein im
kaufmännischen Verkehre abgeschlossener Vertrag der erwähnten Art, ohne
Unterschied, ob derselbe unter Handeltreibenden oder anderen Personen ab-
geschlossen worden, in den vorgesehenen Fällen nur einer Stempel-Abgabe
von 15 Sgr. unterworfen sein sott;
Daß mithin die Frage, ob der Vertrag im kaufmännischen Verkehre
abgeschlossen, kelnenfalls davon abhängt, ob die Lieferung zum Zwecke des
Wiederverkaufes geschah, oder nicht, weil dem Gesetze diese Unterscheidung
durchaus fremd ist, für den Klager aber der Abschluß des Vertrages ohne
Zweifel im kaufmännischen Verkehre seinen Grund fand;
I. E., daß hiernach die Klage begründet erscheint rc.
Die Provinzial-Steucr-Direction appellirte und stützte ihre Berufung
darauf, daß es auf den Umstand, daß der Kläger Grieff für feine Person
Handelsmann sei, nicht, sondern lediglich darauf ankomme, ob das Geschäft
als im kaufmännischen Verkehre abgeschlossen zu betrachten sei; daß die
Ausdrücke, deren sich die Cab.-Ordre vom 30. April 18*7 bediene, die
Hinweisung auf den gewöhnlichen Stand des kaufmännischen Verkehrs,
auf,,Actien und andere geldwerthe Papiere" sowie auf die etwaige Zu-
ziehung vereideter Agenten oder Makler erkennen lasse; daß der Ausdruck
„kaufmännischer Verkehr" in einem eigenthümlichen engeren Sinne ver-
standen und dabei an Geschäfte, welche in der Regel an der Börse zu
Stande kommen, gedacht werden müsse; daß danach die Erwägung, weil
Grieff Handelsmann sei, müsse das Geschäft für ihn als im kauf-
männischen Verkehr abgeschlossen, angesehen werden, nicht entscheide; daß